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Tokio extrem oder Büstenhalter unterm Businesshemd
Die Nipponesen neigen zu Extremen. Wenn sie sich einmal auf eine Vorliebe festgelegt haben, gibt es kein
Zurück.DeshalbpflegensieihreskurrilenHobbiesodersexuellenFetischesokonsequent.Andererseitssind
sie in der Wahl ihrer Rolle flexibler. Der brave Büroangestellte kann nach Feierabend eine erschreckende
Nachtseite haben. Und keiner denkt sich was dabei. Wo der Deutsche anfangs immer schwer an Bedenken
trägt, legen die Japaner einfach los - vor allem bei der Einführung neuer Technik. Die älteren Damen und
Herren freuen sich bereits auf ihren Pflegeroboter.
Viele extreme Japaner lernte ich über Yamahira-san kennen, der mir am Tisch auch die Eingeweide
weggezogen hatte. Er arbeitete als Reporter für ein gemischtes Magazin und recherchierte von ernsthaften
Politikgeschichten bis zu Busenwunder-Knallern über alles und jeden. Yamahira-san versammelte immer
vier oder fünf Kollegen und Informanten um sich und blieb über den Zweittreff, den Dritttreff und den
Vierttreff hinaus bis früh morgens auf der Piste. Dafür tauchte er oft erst gegen 16 Uhr in der Redaktion auf,
wie mir eine Kollegin verraten hatte.
»Jetzt gehen wir mal in eine besondere Bar, einen meiner Lieblingsplätze. Aber macht euch auf alles ge-
fasst«, sagte er nach einem Vierttreff und zwinkerte dazu sogar noch.
Das »Dazzling« lag in einer Seitenstraße hinter dem S-Bahnhof Gotanda, im südlichen Teil Tokios. Vor
dem S-Bahnhof blinkten die Reklamen der üblichen Schnellimbissketten. Der halbdurchsichtige Glasquader
des Hauptquartiers von Sony lag nur wenige Minuten entfernt.
Im dritten Stock trat ich als Erster aus dem engen Aufzug in den Vorraum des Dazzling. Links und rechts
fand sich eine europäisierende Dekoration aus gedrechseltem Holz und Heiligenbildern. Um die Ecke im
Laden selbst gruppierten sich Tische auf drei Ebenen vor einer Bühne, etwas zu hell ausgeleuchtet für einen
verruchten Nachtclub. An den besetzten Tischen saßen Büroangestellte, die sich von Transvestiten bedienen
ließen. Die Anzugträger lachten hier endlich mal richtig gelöst und heiter. Der Meister des Etablissements
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