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nung des erinnerungssüchtigen Portugals und seines allmächtigen »Es war einmal« an
den Reisenden: Er soll schreiben, etwas davon festhalten, um es für spätere Generatio-
nen zu bewahren.
Davon erzählen auch die größten Werke der portugiesischen Literatur immer wie-
der. Ob es das mythische Aufbruchsbuch der »Lusiaden« von Camões ist oder auch die
portugiesischen Buddenbrooks, die »Maias« von Ea de Queiroz, die mannigfaltigen Be-
schwörungen der Kindheit in Pessoas »Buch der Unruhe« oder der erinnerungssüchti-
ge Roman »Die natürliche Ordnung der Dinge« des Angola-Veteranen und Psychiaters
António Lobo Antunes oder auch die Bücher des Nobelpreisträgers José Saramago. Im-
mer wird Zeugnis davon gegeben, mit welcher Macht die Vergangenheit den Men-
schen gefangenhält.
So unterschiedlich sie im Stil sind, so haben sie doch eines gemeinsam: eine un-
glaublich präzise Erzählsprache, deren Pathos sich auch auf das kleinste Detail des All-
tags erstreckt. Wer knapp bei Kasse ist, kann daher seine erste Reise nach Portugal pro-
blemlos mit der Literatur unternehmen. Für die erwähnten Werke scheint zu gelten,
was der junge Vladimir Nabokov in einer seiner Erzählungen wie folgt formuliert:
»Mir scheint, daß der Sinn der schöpferischen Tätigkeit eines Schriftstellers darin
besteht, alltägliche Dinge so zu schildern, wie sie sich in den freundlichen Spiegeln
künftiger Zeiten zeigen werden, in ihnen die duftige Zartheit aufzuspüren, die erst un-
sere Nachkommen in jenen fernen Tagen empfinden werden, wenn jede Kleinigkeit
unseres gegenwärtigen Alltags schon an sich so schön und festlich sein wird, in jenen
Tagen, wenn einer, der das einfachste heutige Jackett anzieht, bereits für den feinsten
Kostümball herausgeputzt ist.«
So fuhr ich in meinem Korkauto am Tejo entlang und fragte mich, warum ich in den
Kostümball der Diskothek Kapital keinen Einlaß gefunden hatte. Die Antwort war
sehr einfach und stand im Reiseführer: »A man on his own has no chance.«
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