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als die aktuelle Krise des Lieblingsvereins. Und es gibt kaum einen Verein, der sich
nicht in der Krise befindet. Wenn einmal keine Krise da ist, kann man sich schließlich
immer noch über die Fehlentscheidung eines Schiedsrichters in der zweiten Halbzeit
aufregen und diesen dann trotz eines errungenen Sieges kräftig ausbuhen.
Die Skandale und der Klatsch über die Vereine sind im öffentlichen Leben Portugals
von solcher Wichtigkeit, daß man sich fragt, worüber die Menschen reden sollten,
wenn es den Fußball plötzlich nicht mehr gäbe. Man glaubt an den Fußball, an den Er-
folg der portugiesischen Nationalmannschaft, obwohl man weiß, daß sie aller Wahr-
scheinlichkeit nach wieder nicht ins Finale kommen wird. Und das, obwohl sie den
schönsten Fußball Europas spielt, aber eben nur spielt. Es heißt, die Portugiesen seien
die ästhetisch und technisch besten Spieler auf dem Rasen, die »Brasilianer Europas«,
allein, sie vergessen dabei, die Tore zu schießen.
Nur so ist es auch zu verstehen, daß die Nationalmannschaft im entscheidenden
Moment stets versagt hat und der Glaube an den Fußball im Spielverlauf selbst eine
metaphysische Qualität bekommt: Der Sieg rückt in den Hintergrund, weil man nicht
mehr mit ihm rechnet. Gewinnt die Mannschaft trotzdem einmal, folgt die zu erwar-
tende Überhöhung. Dann spricht die Zeitung am nächsten Tag beispielsweise von ei-
nem »historischen Sieg auf magischer Erde«, weil die Portugiesen während der letzten
Europameisterschaft schon einmal im gleichen Stadion gewonnen hatten. Volle neun
Seiten wird dann das Spiel nach allen Regeln der Kunst minutiös auseinandergenom-
men, mit Einzelkommentaren zu den Spielern, Zitaten von den Männern in kurzen Ho-
sen auf dem Platz, Spielszenenanalysen und diffusen Statistiken der unerschöpflichen
neunzig Minuten.
Wie wenig Einfluß das tatsächliche Ergebnis eines Spiels oder Turniers auf die Ein-
schätzung der begeisterten Fußballanhänger hat, konnte man nach dem Halbfinale der
Europameisterschaft 2000 beobachten. Als die Nationalspieler in Lissabon ankamen,
wurden sie mit Begeisterung als die eigentlichen Gewinner, »unsere Europameister«,
gefeiert. Die Zeitungen leisteten seelischen Beistand: »Weine nicht, Portugal!« war zu
lesen und vom »Ende einer denkwürdigen EM-Teilnahme«. Der Stolz kam nicht von
ungefähr. Wurde das Land doch zum ersten Mal Zeuge, daß seine Stars nicht nur
schön spielten, sondern auch genügend Tore machten. Aber die neue Offensivität von
Luis Figo, Rui Costa und ihren Mitspielern führte ausgerechnet in der entscheidenden
Verlängerung zu unglücklichen Aktionen.
Der Schuß eines Franzosen auf das portugiesische Tor traf die Hand des blondierten
Abel Xavier und ging von dort direkt ins Aus. Der von Zidane verwandelte Elfmeter
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