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gres , wurden wir an einem nebligen Nachmittag im opulent ausgestatteten, über sie-
ben Meter hohen Speisesaal einmal Zeugen der aufwendigen Prozedur, mit der ein sol-
cher Methusalem-Port serviert wird. Der weiß livrierte Kellner kam mit einer glühend
heißen Portzange aus der Küche, um den Niepoort Vintage 1966 zu öffnen. Da die Kor-
ken durch die lange Lagerung oftmals porös und brüchig werden, benutzt man die sel-
ten gesehenen Instrumente zum vorsichtigen Köpfen des Flaschenhalses. Ein Zischeln,
ein Klonk, und die Flasche war offen und konnte dekantiert werden. Das rostrote fla-
ckernde, fast sehr dunklem Quittengelee farblich gleichende Elixier goß der Kellner so
vorsichtig in das Kristallgefäß, daß es des Stückes Musselintuch über der Öffnung
kaum bedurft hätte. Auch gilt abgesehen von jüngeren Weinen zumeist die Devise, daß
der Port nach dem Dekantieren möglichst umgehend, aber spätestens innerhalb der
nächsten vierundzwanzig Stunden getrunken werden sollte. Eine Erfahrung, die ich,
wie erwähnt, ja bereits unwissentlich mit der ersten Flasche Portwein meines Lebens
gemacht hatte. Die desinteressierte Miene des Kellners, als er uns den ersten Schluck
zum Probieren offerierte, stand in krassem Widerspruch zu dem Geschmack. Es war
nicht in Worte zu fassen. Nachdem er unsere Zufriedenheit bemerkt hatte, plazierte er
die Überreste der Enthauptung auf einen Servierwagen, legte vorsichtig die noch heiße
Zange in die Mitte und verschwand wieder in der Küche. Für Etikettensammler fatal:
Die Niepoort-Flaschen werden direkt auf dem Glas bedruckt, und außer zwei zerbro-
chenen Teilen und dem Korken bleibt nichs übrig als die Erinnerung.
Die am schnellsten wachsende Klientel für teure Vintages sind die ansonsten so ge-
sunden Amerikaner. Für ihren Markt wird beispielsweise von der Firma Rozès ein
Portwein hergestellt, der als Tischwein zum Essen empfohlen wird. Auch wenn man
Churchills berühmte Feststellung »A Port is always a Port« berücksichtigen will, er-
scheint uns dieser Vorschlag als in hohem Maße kopfschmerzverdächtig.
Es ist gewiß der seit den neunziger Jahren ansteigenden Rückbesinnung auf traditio-
nelle Werte zu verdanken, daß vor allem die kleinen Quintas mit hohem Qualitätsan-
spruch an Interesse gewonnen haben. Dirk Niepoort, der jüngste Sproß einer alten
portugiesisch-holländischen Portwein-Dynastie, mag auf den ersten Eindruck etwas
verwegen wirken. Seine langen Locken und die von seriösen Konkurrenten manchmal
argwöhnisch beäugte Leidenschaft für Motorräder lassen nicht vermuten, daß die von
ihm hergestellten Portweine und Douros zu den besten der Welt zählen. Die Perfekti-
on, mit der er dieses Ziel verfolgt, unterscheidet ihn von den Labelverwaltern der mul-
tinationalen Konzerne. Auch beim Portwein ist die große portugiesische Tugend der
Geduld, der paciência , gefragt, wenn es darum geht, den richtigen Zeitpunkt der Ernte
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