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gen gemeinsam verbrachten Abend gewidmet. Ein über Monate ausverkauftes Musical
porträtiert Amálias Lebensgeschichte und wurde an ihrem ersten Todestag im Jugend-
stiltheater »Politeama« in Lissabon uraufgeführt.
Daß Fado-Sängerinnen zum Nationalheiligtum gehören, hat in Portugal Tradition.
Maria Severa, Zigeunerin und sagenhafte fadista des 19. Jahrhunderts, starb 1856 mit
26 Jahren nach einer stürmischen Liebesgeschichte mit einem stierkämpfenden Grafen
an gebrochenem Herzen. Ihr Leben stand für den ersten Tonfilm in Portugal Pate, und
fadistas tragen heute noch einen schwarzen Schal zu ihrem Gedenken. Lissabons Fado
wird von Männern wie Frauen gesungen. Der melancholische, seelenvolle Gesang wird
von der guitarra , einer häufig reich verzierten zwölfsaitigen portugiesischen Gitarre
und einer akustischen spanischen Gitarre, viola genannt, begleitet. Eine besonders
kommunikative Sonderform ist der fado vadio , bei dem der Sänger eine gesungene Fra-
ge ins Publikum wirft, die von jemandem aufgegriffen und musikalisch beantwortet
wird.
Die Seele der meisten Lieder ist die berühmte saudade , eine melancholisch-nostalgi-
sche Gefühlsqualität dieser Nation der Seefahrer und Emigranten, die sich jeglicher
Transkulturalität und somit der Übersetzbarkeit entzieht. Sie kann umschrieben wer-
den als Sehnsucht nach der Ferne oder der Heimat, der Vergangenheit oder dem Verlo-
rengeglaubten. Auch Verrat und Eifersucht sind gesuchte Themen des Fado, die mit
entsprechender Dramatik dargeboten werden.
Coimbras Fado ist getragener und hat neben seinen folkloristischen Wurzeln auch
Troubadour-Elemente. Er wird traditionellerweise nur von Männern gesungen und
handelt häufig von der Schönheit der Frauen. Meist wird er von Studenten ange-
stimmt, besonders gerne nächtlich als Hommage vor dem Haus der Angebeteten, die
dann (hoffentlich) auf dem Balkon erscheint. Ist dem nicht so, kann er als Ruhestörung
eines Narren aufgefaßt werden.
Wie wichtig den altehrwürdigen Herren der Universität Coimbra der Fado ist, wur-
de deutlich, als der portugiesische Popstar Maria Bravo 1996 beschloß, bearbeitete
Coimbra-Fados einzuspielen. Die Fado-Abteilung der Universität zeigte sich empört
und machte ihren Einfluß geltend, so daß eine Parlamentsdebatte über die Frage abge-
halten wurde, in der einige Minister den bemerkenswerten Standpunkt vertraten, Frau-
en seien schon von der biologischen Ausstattung her nicht in der Lage, Coimbra-Fado
zu singen. Einen weiteren kuriosen Höhepunkt erreichte die Polemik, als der stellver-
tretende Rektor der Universität, Antonio Pinho Brojo - er selbst bekannter Fado-Gitar-
rist -, sich unerwarteterweise auf die Seite von Maria Bravo schlug und als Dank eini-
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