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Denn Fado heißt Schicksal, und daß man sich diesem ergeben muß, weiß in Portu-
gal bereits jedes Kind. Alles, was mit dieser Musik zu tun hat, ist legendenumwoben,
sei es ihr Ursprung, ihre Aufführungsorte oder das Leben und Sterben ihrer Protago-
nisten. So meinen einige, die Mauren hätten den Fado nach Portugal gebracht, andere
datieren seine Wiege in die Zeit der Entdeckungen. Manche behaupten gar, daß die
Königsfamilie ihn 1822 bei der Rückkehr aus der Verbannung in Brasilien mitgebracht
hat.
Als sicher gilt, daß der Fado do Marinheiro , der auf den Schiffen von Seeleuten ge-
sungen wurde, durch die Hintertür der Hafentavernen in die Salons der feinen Gesell-
schaft gelangte. In den Sechzigern und Anfang der siebziger Jahre erlebte der Fado sei-
ne Glanzzeit. Die Salazaristen wußten um seine opioide Wirkung auf das Volk, was
ihm den zweifelhaften Ruhm einbrachte, neben Fußball und der Pilgerstätte Fátima ei-
nes der drei »F«s, der Pfeiler des faschistischen Regimes gewesen zu sein. Nach der
Nelkenrevolution 1974 kam daher für den Fado zunächst einmal das Aus. Entscheidend
und nachhaltig wiederbelebt wurde er jedoch durch die Mitglieder des sowjetischen
Politbüros, die 1977 bei einem Besuch in Coimbra darauf insistierten, den berühmten
Fado zu hören.
Der faschistische Makel konnte die Popularität der Fado-Musik bis heute jedoch
nicht entscheidend schmälern. Das belegen nicht zuletzt die Pilgerströme zum Grab
der berühmten fadista Amália Rodrigues, die 1999 verstarb, nicht ohne mit letzter
großer Geste die Sängerin Dulce Pontes zu ihrer offiziellen Nachfolgerin erklärt zu ha-
ben. Seit 2011 gehört der Fado berechtigterweise zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Amália Rodrigues spaltet die Menschen wie die Musik, für die sie steht. Manche se-
hen in ihr die verschwendungssüchtige Kollaborateurin, andere verehren sie wie eine
Göttin. Ihre sterblichen Überreste werden in das Panteão Nacional überführt, nie zuvor
wurde einer Frau diese Ehre zuteil. Schon jetzt ranken sich Legenden um ihr Leben -
ihre große unglückliche Liebe zu Eduardo Ricciardi, dem Großenkel des Conde de Al-
valade, der sie trotz jahrelanger Liebesbeziehung nie ehelichte, da sie nicht standesge-
mäß war, wurde quasi post mortem aufgedeckt und machte Schlagzeilen. Auch die
Umstände ihres Todes werden mystifiziert - ihre persönliche Sekretärin etwa habe ihr
die Hilfeleistung verweigert, als sie den von der Todkranken erbetenen Krankenwagen
nicht rief.
Amálias Leben ist die Geschichte des Aschenputtels, der Aufstieg eines armen Mäd-
chens zur verführerischen Diva. Es wird erzählt, Pablo Neruda, Verfasser der wohl
schönsten Liebesgedichte der Weltliteratur, habe ihr ein eben solches nach einem einzi-
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