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zimmer dienen. Jeder Landstrich hat seinen eigenen. Da werden die Neuigkeiten von
zu Hause ausgetauscht und Träume von der Rückkehr gepflegt. Vor allem die Bewoh-
ner der Region hinter den Bergen, Trás-os-Montes , sind ihrer Herkunft besonders zuge-
neigt. In Lissabon gibt es sogar ein Restaurant, das den Namen Casa Transmontana
trägt. Dort läßt sich die deftige Bergküche der Gebirgslandschaft an der Grenze zu
Spanien genießen, die vor allem deswegen so hervorragend ist, weil die Betreiber
sämtliche Lebensmittel ausschließlich aus ihrer Heimatregion im Nordosten importie-
ren. Besonders das Zicklein, cabrito , ist zu empfehlen, aber auch der gängige Eintopf
mit Gemüse, Kochfleisch und Wurst, c ozido à portuguesa , wird hier so gut zubereitet
wie nirgendwo sonst.
Aber es gibt noch weitere Institutionen, die eine Familienersatzfunktion überneh-
men, wenngleich auch eher im verschwörerischen Sinn. Kein Land in Europa hat eine
umfassendere Geschichte der Freimaurerei als Portugal. Einst von den Engländern im-
portiert, wurde sie zur starken Macht der Auflehnung gerade gegen die Einflußnahme
der Briten. Noch das päpstliche Dekret von 1738 sah eine scharfe Verfolgung der Ge-
heimbünde vor, da diese als Häretiker galten. Besonders die fortschrittlichen Ziele der
Freimaurerei machten sie zum gefürchteten Feind von Staat und Kirche. Einer der be-
rühmtesten Freimaurer und den Idealen der Aufklärung in besonderem Maße ver-
pflichtet war der Marquês de Pombal. Auf dem diplomatischen Parkett in London und
Wien hatte er sich als Botschafter Portugals verdingt und war dann am Hofe König Jo-
sephs I. als Staatsminister für alle entscheidenden Aufgaben verantwortlich. Die
Schwäche des Königs wurde zu seiner Stärke, die er unter anderem nutzte, um Portu-
gals Importunabhängigkeit zu stärken. Manufakturen für Porzellan, Glas und Baum-
wolle wurden von verarbeitenden Betrieben ergänzt, und sogar die erste Zuckerraffi-
nerie Portugals nahm unter Pombal ihre Produktion auf.
Aber seine erfolgreichen Maßnahmen waren nicht immer populär. Der strenge Zu-
sammenschluß des Weinanbaus in einer Monopolgesellschaft, mit deren Hilfe er dem
durch schlechte Qualität brachliegenden Portweingeschäft zu veritablen Preisen und
steigenden Exportumsätzen verhalf, brachte die kleinen Anbauer, die nicht seiner Real
Companhia das Vinhas do Alto Douro angehörten, auf die Barrikaden. Sie waren nicht
seine einzigen Gegner. Zur Umsetzung seiner Bildungsreformen (er stärkte unter ande-
rem die Naturwissenschaften und errichtete staatliche Schulen) ließ er den mächtigen
Jesuitenorden auflösen. Und selbst Adel und Kirche waren Ziele seiner Attacken. Die
Inquisition wurde dem Staat unterstellt und somit eingeschränkt.
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