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stündigen Mittagspause mit anschließendem Kaffee, Schnaps und Kartenspiel brach
und sie rigoros auf eine Stunde verkürzte.
Obwohl die Portugiesen im Durchschnitt nicht zu den Großverdienern Europas ge-
hören, sind sie doch allem Anschein nach glücklicher als wir. Das Familiennetzwerk
funktioniert auch in den ärmeren Familien. Immer gibt es einen Vetter in Trás-os-Mon-
tes oder im Alentejo , der mit einer Ladung Würste vorbeikommt, wenn Not am Mann
ist, selbst wenn er extra deswegen ein Schwein etwas früher schlachten muß.
Man arbeitet, wenn gerade nichts Besseres zu tun ist. Das Schicksal liegt in den
Händen Gottes, und man sollte es nie herausfordern. Die Schläge des Lebens nimmt
man hin, denn Auflehnung dagegen würde großes Unglück bringen. Auch die Mieten
liegen vergleichsweise niedrig und waren gesetzlich noch bis vor nicht allzulanger Zeit
fast auf dem Stand von 1974 eingefroren. Weswegen die Besitzer der Häuser auch nicht
viel in ihre Objekte investierten, da kein Mieter dafür bezahlen wollte. Auch ein Grund
für den vom Mitteleuropäer auf der Suche nach dem Pittoresken immer wieder be-
wunderten Verfall der Bausubstanz, der jedoch für die Mieter nicht immer von zivili-
satorischem Vorteil ist. Die fast blinde alte Großmutter einer Freundin beispielsweise
hatte in ihrer noch älteren Wohnung in der Alfama in Lissabon ein kluges System der
Mäusebeseitigung erfunden. Sie zog den zierlichen Tierchen mit ihrer Kehrichtschaufel
einfach eins über und entsorgte anschließend den Sondermüll artgerecht.
Ausgerechnet das Wasser und mit ihm die Kanalisation ist seit jeher ein chronischer
Schwachpunkt der portugiesischen Häuser. Daher ist es angeraten, in Pensionen darauf
zu achten, ob die versprochene Dusche und das WC sich auch sauber getrennt in ei-
nem eigenen Raum befinden und nicht etwa nachträglich ins Zimmer integrierte Naß-
zellen sind, die mit floralen Tapeten beklebt wurden. Die Ausdünstungen können auch
in gerade gebauten Herbergen bei ungünstiger Witterung oder Kanalproblemen mehr
als den Schlaf rauben, nämlich den Atem allgemein.
Wer in Portugal etwas gelten will, bezieht ein Appartement in einem möglichst neu-
en Gebäude. Das führt zu dem aberwitzigen Zustand, daß in diesen Wohnungen mit
relativ niedrigen Decken dann kostbarste alte Familienmöbel aus Tropenholz und Ma-
hagoni untergebracht sind, die oftmals haargenau mit der Zimmerhöhe abschließen
und den Eindruck eines opulenten Antiquitätenlagers entstehen lassen. Obwohl diese
so überhaupt nicht zur Geltung kommen, stört das keinen. Man ist eben modern.
Ganz unmodern, aber trotzdem aktuell ist in Portugal eine wahrlich sagenhafte Tra-
dition: Nicht nur die Familie gibt Halt, sondern auch vereinsartige Zusammenschlüsse,
die vor allem in den Großstädten zugezogenen Landbewohnern als erweitertes Wohn-
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