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Schon möglich, daß im Falle der gelungenen Besetzung der Zimmer unvergeßliche
Bekanntschaften gemacht werden. Wenige Tage zuvor, so erzählte uns beispielsweise
der General, war wohl ein Architekt aus England zu Gast, der alle Mitbewohner mit
seinem außerordentlichen Sketchbook beeindruckt hätte. Er habe, so der General, ein
enormes zeichnerisches Talent bewiesen und zudem die beigefügten sarkastischen No-
tizen in der Tischgesellschaft zum besten gegeben. Am nächsten Morgen konnten wir
beim Öffnen der Türen, die zum Kiesgarten hinausführten, den phänomenalen Blick in
das Douro-Tal bewundern, laut BBC sogar eine der sieben schönsten Aussichten der
Welt. Leider hatten wir mit dem Verzweiflungskater des Abends zu kämpfen und wa-
ren so nur beschränkt aufnahmefähig. Wer beim Reisen derlei vermeiden will, aber
dennoch nicht auf standesgemäßen Komfort verzichten mag, hat in Portugal das Privi-
leg, in zu Hotels umfunktionierten Herrensitzen sein Haupt niederzulegen. Aber auch
bei Buchung und Auswahl der mit einem staatlichen Siegel versehenen »Pousadas« ist
Vorsicht angeraten. In Sagres beispielsweise ist die Pousada zwar schön am Meer gele-
gen und hat ein nettes Restaurant, aber von außen betrachtet bleibt sie ein v-förmiger
moderner Klotz am Bein der Küste. Man informiere sich also vorher besonders hin-
sichtlich der Kategorie, unter der die Pousada geführt wird: ganz am unteren Ende
steht dabei »Historisches Design«. Darunter muß man sich auf alt getrimmte Neubau-
ten vorstellen. Direkt danach, wenn nicht daneben: »Natur«, da ist das Gebäude ne-
bensächlich, also in der Regel eine Enttäuschung, dafür gibt es eine spektakuläre Aus-
sicht in der Nähe oder sie ist gar vom Hotel aus zu sehen. Dann kommt »Charme«, wo
entweder die Lage oder die Architektur nicht überzeugen, also das Manko mit Atmo-
sphäre wettgemacht werden muß. Die einzig gangbare Kategorie ist also »Historisch«;
vor allem Setúbal, direkt am Meer gelegen, oder Mesão Frio im malerischen Douro-Tal
sind hier zu empfehlen.
Tourismus mit Familienanschluß in gemäßigter Form gibt es in Portugal oft. Die
meisten der Pensionen oder Residenciais in den Städten werden von Familien geführt,
und fast immer ist man dort in den Händen einer netten Dona aufgehoben, die für alle
Auskünfte über Restaurants, Sehenswürdigkeiten und Problemlösungen bereitsteht. Im
Hintergrund läuft gemeinhin ein Fernseher, der Opa sitzt in der Flurecke, und das gan-
ze Leben spielt sich auf der Etage der Rezeption ab. Problematisch wird es erst, wenn
die Pension von schwierigen Verwandten als Zufluchtsort mißbraucht wird. In Porto
wurden wir einmal schlaflose Zeugen des Besuchs eines Onkels, der seine mangelnde
Beliebtheit in der Familie bestimmt seinem markerschütternden Schnarchen zu ver-
danken hatte. Obwohl der Onkel zwei Zimmer weiter logierte, vibrierte der ganze Flur.
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