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bewegen, erfordert jedenfalls Zeit und Geduld. Besonders die bereits im eigenen Land
oftmals als Hieroglyphen empfundenen Fahrplanangaben haben in Portugal ein Aus-
maß erreicht, das eine wissenschaftlich-mathematische Vorbildung nötig zu machen
scheint. Wer sich interessiert einem Busfahrplan zuwendet, lernt nämlich ein Merkmal
der Sekundärliteratur schätzen: die Anmerkungen. Wie in einer sauberen Magisterar-
beit übersteigen die Fußnoten den Primärtext um einiges. Jeder Tag hat im Busverkehr
seinen eigenen Fahrplan, und am kompliziertesten wird es, wenn dieser gerade von
Sommer auf Winter umgestellt wird, von Schulferien auf Schulzeiten oder von Hoch-
saison auf Nebensaison. Auch die Zählweise der portugiesischen Wochentage sollte be-
rücksichtigt werden, da die Woche unausgesprochen mit dem Sonntag beginnt. Mon-
tag heißt daher der Zweite, segunda oder segunda feira , und das geht bis zum Freitag
weiter, dem Sechsten, sexta - feira , bevor auf den sábado der domingo folgt. Ein Reise-
führer lehrt uns beispielsweise folgende Anmerkung: de 16 Set à 30 Jun, aos sábados
(ou 6as. feiras se feriado) e 2as feiras (ou 3as. feiras se dia seguinte à feriado) . Verstan-
den? Der Busfahrplan will uns sagen, daß diese Abfahrtszeit an folgenden Tagen gilt:
vom 16. September bis zum 30. Juni, an Samstagen (oder Freitagen, wenn der Freitag
ein Feiertag ist) und Montagen (oder auch Dienstagen, wenn es der Dienstag nach ei-
nem Feiertag ist). Klarer? Erst in Portugal habe ich begriffen, warum meine Englisch-
lehrerin mit uns besonders den if-clause geübt hat, bis wir ihn verinnerlicht hatten. Es
muß als Vorbereitung auf die vielen »wenns« und »falls« gedacht gewesen sein, die
einen im Leben spätestens während des ersten Portugal-Aufenthalts erwarten. Apro-
pos Warten. Bis der nächste Bus kommt, bilden sich an jeder Haltestelle Schlangen.
Wer nicht unangenehm auffallen will, stellt sich hinten an und wartet, dem Brauch ge-
mäß, mit. Beim Warten hat man auch Gelegenheit, die neuesten Fußball-Ergebnisse zu
studieren, die in Portugal mit Leidenschaft diskutiert werden. »A bola« beispielsweise
ist eine ganz normale Tageszeitung, die sich nichts anderem widmet als dem begeistert
verfolgten Rund. Bisweilen entsteht der Verdacht, im Fußball als Welterklärungsinstru-
ment spiegele sich eine späte Reminiszenz an die portugiesischen Entdeckungen auf
dem großen Ball der Erde. Der Traum von der Beherrschung, der spielerische Umgang
mit der Kugel, die rollt und eine ganze Nation in Atem hält, ist ein weiteres Indiz da-
für, wie die Vergangenheit verrätselt in der Gegenwart Portugals überall ihre Spuren
hinterläßt.
Aber zurück zur Fortbewegung. Da aufgrund der bereits beschriebenen Straßen-
und Fahrumstände im ganzen Land eine Busreise die seltsamsten Überraschungen be-
reithalten kann, scheint es angeraten, den Zug zu nehmen. Sie sind sogar meistens
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