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die Serra da Estrela, eine Königsstadt (Vila Real) und noch dazu die Möglichkeit, in
den Betten der einstigen Königin preiswert zu übernachten (Quinta de São Bento in
Monchique an der Algarve), mußte ein modernes Märchenland sein, das mehr als eine
Reise wert war.
Noch am Vorabend meines ersten Abflugs nach Lissabon las ich von einer weiteren
Legende: jener der Königin der Tränen. Inês de Castro war im 14. Jahrhundert die Ge-
mahlin des Kronprinzen Peter. Der damalige König Alfons IV., Peters Vater, zeigte sich
jedoch mit der Brautwahl seines Sohnes nicht einverstanden. Die einfache Hofdame
war nicht standesgemäß und stammte zudem aus dem verfeindeten Kastilien. Also ließ
Alfons sie in Abwesenheit seines Sohnes ermorden. Die Tat geschah in einem tropi-
schen Garten bei Coimbra. Peter rächte sich mit bitterem Krieg gegen seinen Vater, aß
die herausgerissenen Herzen der Mörder und bestieg selbst den Thron. Die geliebte
Prinzessin ließ er exhumieren und setzte sie nach ihrem Tod ins Recht. Es heißt, er ha-
be zwei Thronsessel in der alten Kathedrale aufgestellt und sie einbalsamiert neben
sich krönen lassen. Dann hatten die Landesfürsten dem makabren Königspaar die Ehre
zu erweisen: Handküsse für eine Tote, deren Tränen, so heißt es weiter, noch heute den
Rio Mondego alljährlich über die Ufer treten lassen. Wie gewaltig die Macht ihrer Trä-
nen dort ist, findet man im Inneren des alten Klarissinnenklosters Santa Clara-a-Velha
bestätigt: Über fünf Meter hoch liegt der Flußsand im Inneren des Kreuzgangs, wo
man daher heute bequem auf den Strebebögen der frühgotischen Kirche Platz nehmen
kann.
Dergleichen ging mir durch den Kopf, als ich am nächsten Tag in einer Boeing 737
der TAP (Weltflug-Akronymisten kürzen das etwas harsch mit »Take Another Plane«
ab, was nur im Hinblick auf den enorm kurzen Sitzabstand zum national eher kurz ge-
wachsenen Vordermann in der Holzklasse zu bestätigen wäre) über die Biskaya flog.
Der Kapitän hatte gerade seine sonore Brummel-Durchsage zu den Turbulenzen zwei-
mal begonnen und brach beim dritten Mal in schallendes Lachen aus. Ausgerechnet
die Portugiesen, sonst mit allen Wassern gewaschen, können nämlich größtenteils
nicht schwimmen. Die gängige Rezeptur angesehener Ärzte für Kinder mit chroni-
schen Nebenhöhlenproblemen besteht lediglich aus folgendem Rat: »Nächsten-
Sommer-ausgiebig-an-den-Strand-gehen«. Wir landen: Bem vindo a Portugal.