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gemessen wird.
Vielleicht ist diese Mischung aus Moral und pragmatischer
Politik das natürliche Ergebnis der jahrzehntelangen Not-
wendigkeit, dem Aufbau dieses Staates und seinem Überleben
alle Belange unterzuordnen. Wie man sich diese Haltung im
täglichen Leben nutzbar macht, hat mich ein junger Israeli
gelehrt, der während des Golfkriegs 1991 an unserem Haus
einiges reparierte (nein, keinen Raketentreffer-Schaden, die
Einschläge waren zu hören, aber glücklicherweise nicht zu
spüren).
In jenen Tagen wurde in den israelischen Medien heftig
darüber diskutiert, was von der Geste des damaligen deutschen
Außenministers Hans-Dietrich Genscher zu halten sei, der
während des Krieges einen Scheck über einen nicht
unerheblichen Betrag in Israel hinterlassen hatte, um denen zu
helfen, deren Häuser oder Wohnungen von irakischen Raketen
zerstört wurden. Es stand immerhin die Drohung im Räume, daß
Saddam Hussein Israel mit Raketen beschießen läßt, die mit
»deutschem Gas« bestückt sind. Deutsche Technologie und
deutsche Techniker hatten im Irak ihre geschickten Hände im
Spiel.
Damals fragte ich also Yuval, wie er zu der in Zeitungen
geäußerten Meinung stehe, Israel hätte das von Außenminister
Genscher angebotene Geld zurückweisen sollen. Yuvals
Antwort hat mich beeindruckt. »Man soll das Geld nehmen und
den Deutschen weiter böse sein«, sagte er und grinste mich
freundlich an. Das ist deutsch- israelischer Alltag: ein stetes vom
Abgrund der Geschichte bedrohtes Lavieren zwischen Moral
und Pragmatismus.
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