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und der problemfreie Alltag nicht hinwegtäuschen, ist der
Holocaust. Der von uns Deutschen begangene Massenmord an
sechs Millionen Juden verbindet uns mit diesem Volk und trennt
uns gleichermaßen. Er verbindet uns, weil er der schrecklichste
Teil unserer gemeinsamen Geschichte ist, und er trennt uns, weil
sich die Nachfahren der Opfer und die Nachfahren der Täter
gegenüberstehen. Letztere wollen, was unmöglich, aber
menschlich verständlich ist, vo n der Last der Vergangenheit
befreit werden. Es ist ja in der Tat nicht angenehm, jenem Volk
anzugehören, das neben Goethe, Schiller und anderen
Geistesgrößen auch einen Hitler, Himmler, Eichmann und
andere Verbrecher hervorgebracht hat. Wer möchte schon unter
seinen Vorfahren Massenmörder haben - und wenn man die
schon hat, dann möchte man als Nachgeborener sie auf der
Ahnentafel gerne etwas kleiner schreiben. Das ist eine natürliche
Reaktion, aber der Vergangenheit nicht angemessen, denn auf
der anderen Ahnentafel stehen die Namen der sechs Millionen
Opfer.
Wer also mit Israelis über den Holocaust spricht, redet nicht
über ein abstraktes, historisches Ereignis, das in der Schule
gelehrt und wieder vergessen wird, sondern über Mütter und
Väter, Onkel und Ta nten und Großeltern, die in Konzentrations-
lagern umgebracht worden sind. Es ist nicht so, daß die Israelis
gerne darüber reden, aber es kann kein Vergessen geben in
einem Land, dessen ältere Bürger heute noch die
Tätowierungsnummer aus Auschwitz auf dem Unterarm tragen.
Und in dem Sie auf die Frage »Woher können Sie so gut
Deutsch?« zur Antwort bekommen können: »Das habe ich im
Konzentrationslager gelernt.«
Angesichts dieser Geschichte, an die man als Deutscher in
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