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konzentrieren: Gottes Gebote zu befolgen. Hebräisch ist dem-
zufolge dem Gespräch mit Gott vorbehalten und darf nicht als
Umgangssprache befleckt werden. Nicht alle Bewohner von
Mea Shearim sind so streng, doch in einem Punkt sind sich alle
einig, und das sollten Sie berücksichtigen: Wer das Viertel der
ultra-orthodoxen Juden betritt, muß »anständig« angezogen sein.
Generell empfiehlt es sich, bei einem Jerusalem- Besuch etwas
konservativer angezogen zu sein, schließlich befinden Sie sich
in einer heiligen Stadt, und auf dem Tempelberg wird Ihnen ein
Tuch angeboten, um Ihre nackten Beine oder Ihre braunen
Schultern zu bedecken. In Mea Shearim herrschen großer Ernst
und eine sich um sich selbst drehende Geschäftigkeit. Die
meisten Männer arbeiten nicht, sondern besuchen Religions-
schulen. Das genügsame Leben wird mit Spenden aus dem
Ausland finanziert. Die vielen Kinder in ihren schwarzen
Mänteln und mit blassen Gesichtern sehen schon in jungen
Jahren wie alt gewordene Gelehrte aus.
Das osteuropäische Judentum lebt in Mea Shearim weiter. Mit
dem Staat Israel wollen diese Juden nichts zu tun haben, viele
zahlen keine Steuern, kaum jemand geht zum Militär. Der
israelische Autor Amos Elon hat in seinem Buch über Jerusalem
das Leben in Mea Shearim auf den kurzen, treffenden Nenner
gebracht: »Die Ultraorthodoxen besitzen keine Gewißheit außer
der Vergangenheit.« 3 Das hindert sie nicht, in der Gegenwart
ihren Einfluß im Staat Israel gegen den Widerstand der
säkularen Bevölkerungsmehrheit über die orthodoxen Parteien
in der Knesset geltend zu machen. Auch das ist ein Paradox
ultraorthodoxen Verhaltens: Obwohl man diesen Staat eigentlich
ablehnt, ja ihn verachtet, ist man bereit, mittels der orthodoxen
Parteien diesen Staat wie eine Milchkuh zu melken.
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