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begriffe wissenschaftlicher Erkenntnis haben Gültigkeit ledig-
lich in ihrer erfahrungsermöglichenden Funktion. Da die
Wirklichkeit kein Absolutum ist, bedarf sie nach Lange der
Ergänzung durch Ideale und Werte von Ethik und Religion,
Kunst und Mythos.
Ernst Mach (1838-1916), der ebenfalls experimentell auf
dem Gebiet der Sinnesphysiologie gearbeitet hatte, lehnte es
als metaphysisch ab, eine materielle Außenwelt unabhängig
von Empfindungskomplexen des menschlichen Beobachters
zu akzeptieren. Aufgabe der Wissenschaft sei es vielmehr, die
Empfindungen der menschlichen Sinnesorgane durch Meßge-
räte zu eichen und zu verschärfen, Regelmäßigkeiten und
Abhängigkeiten zwischen ihnen festzustellen und nach zweck-
mäßigen Gesetzen der Denkökonomie zu ordnen. Die Existenz
von irgendwelchen ,ewigen' Grundgesetzen der Natur wird
ebenfalls als metaphysisch (weil durch Wahrnehmung und
Empfindung nicht begründbar) verworfen. 12
Machs Positivismus, nach dem Erkenntnis nur durch Beob-
achtung gerechtfertigt ist, beeinflußte zunächst führende Phy-
siker des 20. Jahrhunderts wie z.B. Einstein bei der Begrün-
dung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie und Heisenbergs
Begründung der Quantenmechanik. Später zeigte sich aller-
dings, daß die Grundbegriffe von Relativitätstheorie und
Quantenmechanik wegen ihres hohen mathematischen Ab-
straktionsgrades nicht mehr unmittelbar auf Wahrnehmungen
und Empfindungen zu reduzieren sind. Zudem führte Machs
Positivismus zur Ablehnung der Atomtheorie, sofern sie nicht
nur als Hypothese, sondern als Wiedergabe einer Tatsache ver-
tretenwurde. So kritisierte er Boltzmanns statistische Thermo-
dynamik, in der makroskopische Wärmeerscheinungen wie
z.B. Temperatur durch mikroskopische (und damals nicht
beobachtbare) atomare und molekulare Wechselwirkungen
erklärt wurden (vgl. Kapitel V.1). Unabhängig von dieser Be-
schränkung des Machschen Positivismus, die sich in der spä-
teren Entwicklung der Physik zeigte, wirkte seine Methoden-
und Metaphysikkritik auf den Wiener Kreis und den darauf
aufbauenden logischen Empirismus des 20. Jahrhunderts.
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