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Nachdem Wissenschaftler eine fortdauernde Gefährdung festgestellt haben, sind inzwis-
chen auch diese Bewohner erneut evakuiert worden.
An die insgesamt 66 Atom- und Wasserstoffbombenversuche in diesem Gebiet erin-
nerten nur noch ein paar Krater, zwei Betonbunker und das Wrack eines Landungsboots
auf dem Strand. Darin spielten die paar Bikini-Kinder Verstecken. Kym zeigte ihnen -
verkehrte Welt - auf einem Sandhügel, wie man mit Pfeil und Bogen umgeht. Diese Kinder
besuchten keine Schule, stattdessen speerten sie Fische und tauchten nach Langusten. Sie
kannten überhaupt keine regelmäßige Beschäftigung, außer Singen vielleicht. Allabendlich
trafen sich alle Bewohner und sangen in die Nacht hinein. Schwermütig hörten sich Melod-
ie und Texte an.
Einen Großteil der Versorgung lieferten die Amerikaner. Vierteljährlich landeten sie
Konserven und andere Dinge des täglichen Gebrauchs an. Diese Hilfe hatten sie den Ein-
heimischen bei der Evakuierung in den fünfziger Jahren versprochen. Wir passten uns den
Bewohnern ernährungstechnisch an. Aßen von ihren Fischen, tranken von den Nüssen,
schwammen und tauchten in der optisch sauberen Lagune, wo um die 50 Schiffe auf
dem Grund liegen. Sie waren die Versuchsobjekte während der verheerenden Explosion-
en. Übrigens: Von hier war 1945 auch ein Flugzeug mit Ziel Hiroshima gestartet. Die
Atombombe nahm die Besatzung dann in Tinian auf Guam an Bord.
Nach elf Tagen ging's Anker auf. Wir waren von den Eindrücken merkwürdig herabges-
timmt, verspürten Lust auf Lockeres, Unbeschwertes. Wir wollten endlich unsere ganz per-
sönliche Südseefreiheit. Das Ant-Atoll erschien uns auf der Seekarte genau richtig dafür.
Also segelten wir kurzerhand weiter. Vier Seetage später war Ponape erreicht. Schön, aber
sehr kommerziell, doch gleich neben Ponape lag das Ant-Atoll. Durch einen Pass im Riff,
geformt wie ein S, segelten wir ins Innere der Lagune. Auf glasklarem Wasser schwebte
KATHENA FAA sicher und geschützt gegen alle Winde mit dem Mast fast in den Palmkron-
en. Phantastisch. »Dass es so was noch gibt, wissen viele in Europa gar nicht mehr«, sagte
Astrid und genoss, lang ausgestreckt an Deck, die stabilen Verhältnisse der windstillen La-
gune, während draußen auf See der Passat blies. Ich hockte neben einer Bananenstaude
im Schatten des Großbaums, und Kym pendelte im zur Schaukel umfunktionierten Boots-
mannstuhl an einer Palme. Traum und Wirklichkeit - hier waren sie sich begegnet, auf dem
unbewohnten Ant-Atoll.
Ich schlug das Logbuch auf und zog Zwischenbilanz. Auf »unserer« Insel ging das erste
Jahr dieser Weltreise zu Ende. Wir hatten 5214 Seemeilen abgesegelt und dafür 50 Tage
benötigt, aber nur 40 Nächte auf See verbracht. Überhaupt: Es ist nicht wahr, dass man
sich mit einem Segeltörn wie dem unseren groben Strapazen aussetzt. Auch Kym war nicht
überfordert. Nur die Abschiede gingen ihm immer sehr nahe.
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