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Auch gibt es eine bizarre Felsnadel, die nach dem Tod des französischen Paters »Pic Fou-
cauld« genannt wurde.
Irgendwann ließ der schneidende Wind mich auf dem Gipfel des Assekrem derart
frösteln (es herrschten nur fünf Grad), dass ich mich von den Steinklötzen erhob und zu
der Einsiedelei von Charles de Foucauld hinüberging. Eine viereckige Hütte, klein und sch-
licht, die mittlerweile nicht nur an den französischen Pater erinnert: Sie ist auch ein Wall-
fahrtsort für Christen und Moslems, die Jahr für Jahr den steilen, schotterigen Pass zum
fast 3000 Meter hohen Assekrem hinaufsteigen.
Durch einen engen Korridor gelangte ich in das frühere Arbeitszimmer de Foucaulds,
das er auch als Bibliothek nutzte. Ein winziger, quadratischer Raum mit schmuckloser
Pritsche, Stuhl und Holztisch, darauf ein paar nostalgische Stahlfedern und ein Tintenfass.
Gleich daneben einige meteorologische Instrumente sowie Schriften von de Foucauld und
einige Bücher über die Sahara.
Hier also war es, wo Charles de Foucauld ein halbes Jahr lang in völliger Abgeschied-
enheit lebte, wobei die Tuareg ihn gelegentlich mit Vorräten und Wasser versorgten. Sechs
Monate lang schrieb er hier sein gesammeltes Wissen über die Tuareg auf, fertigte ein
Wörterbuch sowie eine Grammatik der Tuareg-Sprache an, betrieb philologische Studien,
fühlte sich Gott nahe - und kam zu der Erkenntnis: Die Wüste ist der Ort der Wahrheit,
kein Ort der Weltflucht.
Nur wenig größer war der Raum der Kapelle, den ich durch schwere Vorhänge vom Flur
aus betrat. Gleich links vom Eingang, auf einem Holzbord, lag eine aufgeschlagene Bibel.
Darüber hing eine Ikone. In einer Nische befand sich der Altar, eine glatte, unbearbeitete
Granitplatte, die auf drei Gesteinssäulen ruhte. An der Steinwand dahinter sah ich einen
leidenden Christus aus Metall an einem einfachen Steinkreuz. Daneben, auf beiden Seiten,
zwei dicke Kerzen. Rechts davon die rote Lampe des heiligen Sakraments.
Die einzigen Lichtquellen in dem Raum waren zwei Fenster. Eines befand sich in der
Außenwand, das zweite im Dach, direkt über dem Altar. Auf dem nackten Steinboden,
der mit Binsenmatten und Ziegenfellen bedeckt war, setzte ich mich zu einer Handvoll
Touristen, die im Geländewagen aus Tamanrasset gekommen waren, um in der kleinen
Kapelle an einem Gottesdienst teilzunehmen. Andächtig lauschte ich den Worten von zwei
Priestern in weißen Mönchskutten, die den Gottesdienst zweisprachig hielten, in Französ-
isch und Deutsch.
Als die Messe beendet war, blieb ich noch eine Weile allein auf dem Fußboden sitzen.
Schweigend hockte ich da und lauschte dem Sausen und Heulen des Windes, der ungestüm
um die kleine Klause brauste. Es ist gut, hier zu sein, dachte ich und spürte, wie mein
Atem langsamer wurde. Ich war glücklich wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. Ein Ge-
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