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bizarren Bergflanken oder skurrilen Felsentürmen losreißen, die bereits vor Millionen von
Jahren ihr Antlitz erhalten hatten, als Vulkanausbrüche dieses Gebiet erschütterten und ein
einzigartiges Mondland schufen.
Schließlich stieg ich im Zentrum des Hoggar-Gebirges auf schmalem Zickzackpfad
Höhenmeter um Höhenmeter den Assekrem-Berg hinauf. In diesem hochgelegenen
Wüstengebirge Algeriens herrschen im Winter Temperaturen unter der Frostgrenze. Auf
über 2000 Meter wurden schon Tiefsttemperaturen um minus 13 Grad gemessen. Kein
Wunder, dass mir auf dem Gipfelplateau, in 2726 Meter Höhe, eisiger Wind ins Gesicht
blies. Ich spürte einen Tränenschleier, nahm den Rucksack von den Schultern, setzte
mich auf ein paar übereinandergetürmte Steinbrocken und genoss das Glücksgefühl des
Angekommenseins. Hier hinauf wollte ich unbedingt kommen, zum Gipfel des Assekrem.
Dies war der Ort meiner Sehnsucht, ein magischer Punkt in der Mitte der Hoggar-Berge.
Noch nicht der Endpunkt meiner Wanderung, doch irgendwie das gefühlte Ziel. Denn
hier war es, wo Charles de Foucauld 1911 eine kleine Einsiedlerkirche aus Trockenziegeln
und naturbelassenen Steinen errichtete und ein halbes Jahr in völliger Abgeschiedenheit
lebte.
Nur zwei oder drei Tagesmärsche lagen noch vor mir, um die Oase Tamanrasset, kurz
»Tam« genannt, zu erreichen. Es ist der Hauptort der südsaharischen Hoggarregion und
zugleich der Endpunkt meiner Wüstenwanderung.
Der Ausblick vom Assekrem-Gipfel war ein absoluter Höhepunkt meiner Reise. Schon
Charles de Foucauld hatte beeindruckt geschrieben: Die Aussicht ist wunderbar, man
überblickt das Massiv des Ahaggar, das nach Norden und Süden zu den unendlichen
Wüstenebenen
abfällt.
Im
Vordergrund
hat
man
den
eigenartigsten
Wirrwarr
von
Bergspitzen, Gebirgsnadeln und phantastisch gestalteten Felsen vor sich.
Und so ist es noch heute. Hier schien es alle Gesteinsformationen zu geben, die sich
die Phantasie ausmalen konnte: pittoreske Kegel, windgeschliffene Pyramiden, groteske
Kamelhöcker, märchenhafte Kathedralen und erodierte Wehrburgen. Zudem zahllose Ber-
griesen, hintereinandergestaffelt, die wie einsame Wächter wirkten. Und dann waren da
noch die »Zähne«: erstarrte Basaltpfropfen längst abgetragener Vulkane, die wie Orgelp-
feifen oder auf den Kopf gestellte Stalagmiten wirkten und die schon Charles de Foucauld
von seiner einsamen Gipfelhütte aus betrachtet hatte. Phantastische Vulkanpfeiler, die viel-
fach isoliert und senkrecht aus ihrer Umgebung aufragten und zu den charakteristischen
Merkmalen des Hoggar-Gebirges zählen. Einst gaben die Tuareg diesen Vulkantürmen ge-
heimnisvolle Namen, die zum Teil ihrer Sagenwelt entstammen: so bei den Doppelbergen
Tezouiadje, dem Tadjerdjist, dem Tidjemayene, dem Segueika, dem Ilamane, dem Tahat.
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