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gekleidet waren. Sie beäugten mich mit argwöhnischen Blicken, und ich spürte im Magen
ein mulmiges Gefühl.
Einer der Männer saß auf der hinteren Stoßstange eines Geländewagens mit holländis-
chem Kennzeichen - vermutlich gestohlen. Seine blutverschmierte Linke presste er auf
den rechten Oberschenkel, während er mich mit der rechten Hand heranwinkte. Beim
Näherkommen sah ich durch die offenstehende Hintertür des Wagens. Auf der Rückbank
lagen drei Kalaschnikows, russische Schnellfeuergewehre. Vermutlich hatten sie noch an-
dere Waffen, die ich nicht sehen konnte. Jetzt war mir klar, wen ich da vor mir hatte:
Tuareg-Rebellen oder Wegelagerer.
Was sollte ich tun?
Da zog auch schon einer der vermummten Gestalten seine Pistole aus dem Gürtel und
forderte mich auf, dem Verletzten zu helfen. Widerwillig kramte ich meine Notapotheke
aus dem Rucksack und schaute mir die Wunde an. Eine Schussverletzung - nur eine Fleis-
chwunde, doch unter den gegebenen hygienischen Verhältnissen schlimm genug.
Ich desinfizierte und verband die Wunde, mehr konnte ich nicht tun. Dann verlangten
die vermummten Gestalten mein Geld, das ich größtenteils in den Einlegesohlen meiner
Stiefel versteckt hatte. Gleichwohl trug ich noch einen Brustbeutel mit algerischen Dinaren
im Wert von 400 Euro, den ich ihnen gab. Das war der Preis, den ich zahlte, um gehen zu
können.
Die Erleichterung machte mir Beine.
Der 67. Tag. Wie urwelthafte Geistersilhouetten ragten zerklüftete Bergformationen an-
mutig und erhaben in den Himmel. Jeder Felsblock oder Schlackenhügel war vom Wind
der Jahrtausende blankgefegt. Dazwischen Akazien und Tamarisken, Dornengestrüpp,
dürftige Myrthen- und Lavendelbüsche - das Hoggar-Gebirge, auch Ahaggar genannt.
Bei den Tuareg heißt dieses 300 000 Quadratkilometer große Felsenreich »Atakor«, was
so viel wie »Land unter dem Finger Gottes« bedeutet. Ein Gigantismus aus erstarrter Lava,
Basalt und Granit. Eine phantasmagorische Landschaft, die mir im wechselnden Licht
von Sonne und Schatten in den unterschiedlichsten Farben erschien: braun, beige, grau,
schwarz, gelb, metallblau oder karminrot.
Gleichwohl war es in diesem Felsenreich sehr mühsam, inmitten von Steinscherben,
Geröll und Blockmeeren zu laufen. Deutlich machten sich nun auch die Anstrengungen
des wochenlangen Unterwegsseins in meinen Beinen bemerkbar. Eine bleierne Schwere
hockte in meinem Körper, und an manchen Tagen war es nicht mehr so leicht, die Beine
zum Funktionieren zu zwingen. Gern ließ ich mich von den aufregenden Landschaftsszen-
erien zu längeren Pausen verleiten. Dann konnte sich mein staunender Blick kaum von den
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