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est befindet. Besonders nachts sollen sich hier böse Geister und Dämonen herumtreiben,
die Krankheit und Leid bringen.
Darüber hinaus gilt das fast unbesiedelte Tefedest-Gebirge als navigatorischer Albtraum.
Ein labyrinthisches Felsgewirr mit schroffen Hügelketten, zerfurchten Canyons und atem-
beraubenden Steinzeitszenerien. Ein kaum erschlossenes Gebiet mit nahezu unüberwind-
baren Hindernissen, das ich entlang der östlichen Abbrüche umging.
Anderntags war ich Gast zweier Tuaregfamilien, die ihre Ehans, niedrige Nomadenzelte,
im Schatten einer großen Felswand aufgebaut hatten. Bei stark gesüßtem Tee und einem
Teller mit Datteln erfuhr ich einmal mehr, dass Gastfreundschaft das erste Gebot in der
Wüste ist. Währenddessen spielten ein paar dunkelhäutige Mädchen und Jungen mit get-
rockneten Dromedarkötteln Murmeln. Die Haare der Mädchen waren zu kleinen dünnen
Zöpfen geflochten, während die Jungen das Haar kurzgeschoren trugen - bis auf einen
buschigen langen Schopf am Hinterkopf, an dem Allah die Kinder ins Paradies hin-
aufziehen kann, sollten sie das Mannesalter nicht erreichen. Als ich fragte, wie alt ihre
Kinder seien, schüttelten die Frauen flüchtig verneinend die Köpfe, und die Männer
erklärten, dass man das Alter der Töchter und Söhne nicht genau wisse. Denn Tuareg zäh-
len nicht, weder die Anzahl ihrer Tiere noch die Jahre ihres Lebens. Jedes Zählen bringt
Unglück.
Am späten Nachmittag hatte ich das Glück, einem unblutigen Schaukampf zwischen
Vater und Sohn zu erleben, die mit ihren Takubas (Schwertern) effektvoll aufeinander ein-
droschen. Ohne Unterlass klirrten die Tuareg-Schwerter gegeneinander, wobei Vater und
Sohn Schlag auf Schlag parierten und das Keuchen der Männer zuweilen das metallische
Scheppern der Waffen übertönte. Jeder versuchte mit wachsamen Augen die zielbewusste
Taktik des anderen zu erraten. Und wenn der Vater sein Schwert wie ein Beil über den Kopf
zog, ehe die Klinge singend durch die Luft schnitt, sprang der Sohn geschickt zur Seite.
Dann ein tiefes Luftholen des Vaters, ein markerschütternder Schrei und eine blitz-
schnelle Drehung um die eigene Achse. Es folgte ein beidhändig geführter Schlag, dem der
Jüngere nicht standhalten konnte. Das Schwert wurde ihm aus der Hand geschleudert, wir-
belte durch die Luft und bohrte sich zitternd in den Wüstensand. Frauen und Kinder stim-
mten Freudentriller an, klatschten und blickten bewundernd auf die beiden Schaukämpfer.
Fast fühlte ich mich in jene Zeit zurückversetzt, als die Tuareg noch als »Ritter der Wüste«
galten, die das Universum der Sahara jahrhundertelang beherrschten.
Jenseits der Gueltas (Wasserbecken) von Issakkarasene traf ich in einem bewachsenen
Trockenbett, das mit hohen Felsblöcken übersät war, auf vier Männer mit dunklen
Gesichtsschleiern, die in blaue Baumwollgewänder und olivenfarbene Armeehosen
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