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arabische Gesänge erklangen. Mohammeds Frau hockte neben einer kleinen Feuerstelle.
Eine aristokratische Erscheinung mit schwarzen geflochtenen Zöpfen und einem dunkel-
blauen Gewand, die in ihrem Schoß ein Baby wiegte. Ich war mitten im Reich der Tuareg.
Als ich mich von meinem Schlafplatz erhob, war ich noch wackelig auf den Beinen. Mo-
hammed führte mich nach draußen, wo wir uns in den Schatten einer großen Tamariske
setzten und aus meinem Mund ein dankbares »Al-Hamdulilah« kam - »Dank sei Gott«.
Dann kamen seine Frau und die Kinder dazu, ließen sich in ihrer eigentümlichen Hock-
estellung nieder. Und während wir auf Arabisch, Französisch, Englisch und Tamaschek
radebrechten, dachte ich: Was für offene, lachende Gesichter, die trotz eines entbehrungs-
reichen Lebens auf eine wundersame Weise eine Zufriedenheit ausstrahlen, die von innen
kommt.
Nach drei Tagen im Lager der Tuareg fühlte ich mich schon viel besser - und wollte
weiter. Mohammed begleitete mich noch zu Fuß ein Stück des Weges. Dann nahmen wir
Abschied, wobei die Höflichkeitsfloskeln ein feststehendes Ritual waren: die Fragen, die
Antworten und die Segenswünsche.
Kurz darauf war ich wieder allein unterwegs. Mit neuer Zuversicht tauchte ich ein in
jenes Land, das die Araber auch Khala nennen, was Ödland, Leere oder auch Ausgeliefert-
sein bedeutet.
Entlang wuchtiger Hügelketten folgte ich dem Igharghar-Trockenbett, passierte das
1359 Meter hohe Edjeleh-Massiv und die Dünen des Ergs Telachchimt. Immer wieder sah
ich vertrocknete Sträucher, die fast versteinert waren, entdeckte zart geformte, von Äon-
en des Windes zurechtgeschliffene Sandrosen, deren Kristalle in der Sonne funkelten, und
stieß auf mumifizierte Kadaver von Ziegen, Schafen und Dromedaren, deren Knochen von
der Sonne schneeweiß gebleicht waren. Manchmal hockten kleine Vögel auf den Ske-
letten, deren Gefiederfarbe kaum von der Landschaft zu unterscheiden war. Zudem sah ich
schwarze Wüstenraben, die sich mit kreischenden Lauten protestierend in die Luft erhoben,
wenn ich näher kam.
Am 58. Tag erreichte ich das Tefedest-Gebirge. Windgeschliffene Ritterburgen aus Granit
wechselten mit wilden Schluchten und monströsen Bergriesen, deren Namen der Magie
der Landschaft entsprachen: Igeulmamene, Timehedjene, Timenouara, Tagouna, Acoul-
mou. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte der deutsche Wissenschaftler Konrad
Kilian dieses Massiv entdeckt, das den nordwestlichen Ausläufern des Hoggar-Gebirges
vorgelagert ist. Die Tuareg fürchten vor allem den sagenumwobenen Garet el Djenoun
(2330 Meter), den einzigen heiligen Geisterberg der Sahara, der sich im Norden des Tefed-
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