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Dann weiter in Richtung Süden, durch ein wüstes Universum voller monotoner Schön-
heit, wo sich die karge Landschaft mit dem Licht immer neu änderte - und doch immer
gleich blieb. Ich wanderte, mit den großen Wolkenschiffen, die ihre Schatten auf den
Sand warfen, und mit dem sanften Wind, der über das schroffe Gelände wehte. So fügte
sich Kilometer an Kilometer, während ich mit dem Kompass stetig die unterschiedlichsten
Punkte im sandigen und steinigen Nichts anpeilte. Punkte, die zu meinen Etappenzielen
wurden. Mal war es ein Hügel oder ein großer Felsblock, mal ein Baum oder ein Berg. All
diese Orientierungsmerkmale zeichnete ich am Abend in meine Karte ein, und so entstand
ein Weg, eine Route, von Bleistiftkreuz zu Bleistiftkreuz. Dass gab mir ein gutes Gefühl.
Kurz vor der Oase Amguid rebellierte mein Magen. Durchfall und Erbrechen. Meine Re-
flexe und Reaktionen verlangsamten sich. Ich ging trotzdem weiter, biss die Zähne zusam-
men. Doch jeder Kilometer erschien mir unendlich lang. Ein harter Tag mit zähen Stunden.
Mühsam quälte ich mich weiter, bis ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
Am Nachmittag lag ich im Schatten einer Akazie. Nach 50 Tagen in der Wüste war ich
völlig groggy. Mir pochte das Blut in den Schläfen, und mein ganzer Körper zitterte wie
Espenlaub. Ich schluckte Pillen, um meinen Magen zu beruhigen, legte mir ein feuchtes
Tuch auf die Stirn. Doch die halluzinatorischen Bilder wollten nicht weichen. Was war
bloß los mit mir? War es die Sonne, die mir so zusetzte? Oder war mein Körper einfach
überfordert? Unmöglich. Es musste etwas anderes sein. Da fiel mir ein, dass am Vormittag
ein älterer Araber mit seiner kleinen Herde meinen Weg gekreuzt hatte und mir Ziegen-
milch zu trinken gab. Vielleicht war die Milch nicht ganz koscher gewesen? Was soll's. All
diese Fragen konnten mir jetzt nicht helfen, denn meine Hinfälligkeit flößte mir Angst ein.
Angst, die ich bislang hatte ausblenden können. Angst, dass mein Körper nicht wieder auf
die Beine kam. Angst, in dieser großen Leere verlorenzugehen. Angst, die mich unvermit-
telt anfiel wie ein wild gewordenes Tier. Das waren Augenblicke, in denen ich keine Vor-
stellung hatte, wie es mit mir weitergehen sollte.
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so dalag, ehe ich das Geräusch eines Motors hörte. Es
war ein Targi im klapprigen Geländewagen, der mich fand und mit in sein Lager nahm, wo
ich in einem Kamelhaarzelt auf einer Palmmatte in tiefen Schlaf fiel. Wenn ich kurz wach
wurde, bekam ich reichlich Tee und einen übelriechenden Brei eingeflößt.
Erst 40 Stunden später wurde ich richtig wach. Mohammed, der mich in der Wüste
gefunden hatte, hockte neben mir, als ich die Augen aufschlug. Mit gekreuzten Beinen,
die Unterarme auf seine Schenkel gestützt, saß er einfach nur da, hatte seinen kunstvoll
gewickelten Tagelmust (Gesichtsschleier) heruntergenommen und lächelte. Im Hinter-
grund des großen Zeltes tuschelten drei kleine Mädchen, während ein etwa
vierzehnjähriger Junge an den Knöpfen eines verstaubten Radios drehte, aus dem schrille
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