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Flucht vor politischer Gleichmacherei, vor Unfreiheit und menschenunwürdigen Lebens-
verhältnissen.
Schließlich kam, was einmal kommen musste: Haushohe Sandfahnen verdichteten sich zu
einem gelbbraunen Vorhang, der aus großer Ferne näher rückte. Ein diffuses Licht ebnete
alles ein, und die Erde hob ab. In aller Eile baute ich mein Biwak in einer Bodenmulde
auf, denn ich wusste, was mich erwartete: Ein Sandsturm zog auf. Mit orchestralem Ge-
heul brauste er heran, bedrohlich und angsteinflößend. Gerade noch rechtzeitig zwängte
ich mich ins Zelt, da brach auch schon die Hölle los. Millionen und Abermillionen von
Sandkörnern prasselten wie trockener Regen auf das knatternde Technotextil. Gelbe Gis-
cht schlug über dem Zelt zusammen, und ich fühlte mich eingeschlossen in einem Treib-
sandkokon. Um mich herum ein unglaubliches Toben, das die ganze Nacht anhielt. Der
Sturm fraß Stunde um Stunde, und ich tat kein Auge zu, dämmerte durch die »Stur-
mgleiche« ohne Empfindung für Zeit und Raum.
Erst gegen Morgen herrschte plötzlich Stille. Wie betäubt wühlte ich mich durch Sand
und Zelttuch ins Freie. Der Sturm war vorüber, der Himmel aschfahl. Nicht ein Sonnen-
strahl ließ sich blicken.
Einheitsgraugelb.
Atemloses Schweigen.
Irgendwo kullerten ein paar Steine.
Ich hörte das Gezwitscher eines Vogels.
Wirklich ein Vogel?
Dann Hassi Bel Guebbour. Nicht mehr als eine Barackensiedlung mit Läden, Restaurant
und Tankstelle. Für mich aber war es das Paradies. Nach einem Sechzehn-Stunden-Tag saß
mir die Sandtristesse in den müden Knochen, sodass ich mir nach mehr als 500 Kilometern
Fußmarsch zwei Tage Ruhe gönnte.
Dann lief ich weiter über das Tinrhert-Plateau bis zur Oase Bordj Omar Driss. Ein Ort,
der früher Fort Flatters genannt wurde, nach einer Festung der Franzosen, die heute zwei
Kilometer außerhalb der Oase liegt. Hier wimmelte es nur so von algerischen Soldaten.
Und nicht nur das: Schon weit vor Omar Driss hatte ich zwei Militärstreifen bemerkt, die
jedes vorbeikommende Fahrzeug peinlich genau kontrollierten. Um nicht selbst Gegen-
stand willkürlicher Visitation zu werden, machte ich einen Bogen um die Patrouillen und
ging auch in Omar Driss allen Soldaten aus dem Weg.
Nur eine Nacht verbrachte ich in der Oase, um dann abermals mit neuem Proviant und
frischem Wasser in die Wüste einzutauchen.
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