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Als sich meine Nervosität ein bisschen gelegt hatte, entschwanden auch meine bangen Ge-
fühle. Plötzlich fühlte ich mich frei und losgelöst von allem, war gefesselt von dem Run-
dumblick über eine atemberaubende Landschaft. Es war, als würden wir über die Oberfläche
einer fremden Anderswelt fliegen, deren mondgleiche Szenerien bis zum Horizont ausroll-
ten. Ich sah ganz viel weites, flaches Land, sah endlose Dünenmeere oder Gesteinsfelder,
eingefärbt in einem starken Gelb, Grau und Braun. Und mittendrin ein paar Zelte, ein win-
ziges Stück Menschenwelt, eine kleine Kamelkarawane, eine Wasserstelle, eine Andeutung
von Pfad oder Piste und ein paar grüne Flecken, hineingesprenkelt in eine seit der Schöp-
fung kaum veränderte Kulisse.
Als Passagier in einem zweisitzigen Ultraleichtflugzeug, dessen Schwingen eine Spann-
weite von etwa zehn Metern hatten, gab es für mich - im Gegensatz zum Piloten - nicht viel
zu tun. Ich war vor allem mit dem Staunen beschäftigt und machte Fotos von der Wüste,
in der Mensch und Tier nur kleine Punkte waren, fast mikroskopische Partikel, die sich in
einer graugelben Unermesslichkeit verloren. Was für ein Gefühl, wenn sich unser 160 Kilo
schweres Fluggerät in eine schräge Kurve legte und eine der Flügelspitzen ins Okular ragte!
Dann löste ich die Kamera aus, um mein Unterwegssein im Ultraleichtflieger zu doku-
mentieren, während mich eine Art Rausch erfasste und Glückshormone durch meinen Körp-
er jagten, als hätte ich Drogen genommen.
Nie hätte ich eine so sinnliche Art des Fliegens für möglich gehalten.
Um Größe und Distanzen der Sahara aus der Sicht eines Vogels zu erleben, war ich zu
unterschiedlichen Zeiten mit einem Ultraleichtflugzeug in Marokko, Tunesien und Ägypten
über Nordafrikas gewaltiges Trockenmeer geflogen. Ich wollte begreifen, was eigentlich
nicht zu begreifen ist: die kosmische Dimension der größten Wüste der Welt. Mehr als ein
Dutzend Reisen hatten mich im Laufe der Jahre in dieses gigantische Ödland geführt, wo ich
Tausende von Kilometern zu Fuß oder auf dem Kamel zurückgelegt hatte und gegen Weite
und Leere angelaufen war. Doch nie war es mir gelungen, die kontinentalen Ausmaße dieses
Extremlandes zu erfassen. Zu groß, zu weit und zu phantastisch war Afrikas Ozean aus Sand
und Stein.
Und auch aus dem Freiluftsitz eines Ultraleichtflugzeuges musste ich feststellen, dass
Größe und Distanzen der Sahara nicht zu erfassen waren. Zu sehr wirkte die Grenzen-
losigkeit auf meine Emotionen, und es erschien mir absurd, dass ich dort unten zwischen
Sandmeeren, Staubbecken, Steinscherbenfeldern und vulkanischen Gebirgen Tausende von
Kilometern zu Fuß und mit dem Kamel zurückgelegt hatte. Was in Gottes Namen machte es
für einen Sinn, durch die größte Wüste der Welt zu pilgern?
Sinn?
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