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Wetter auf. Kuschlig in der Koje, mit Kissen verkeilt, frei von störenden Einflüssen, kann
man genial »dranbleiben«. Im »turbulenten« Landleben bringe ich umfangreiche Bücher
nicht zu Ende. Da gibt es zu viel Ablenkung: Zeitung, Kino, Fernsehen, Freunde, Telefon,
Besuche. An Bord verliere ich selten den Faden, bleibe bei den Figuren, beim Geschehen
dran. Spannung und Stil fesseln mich so sehr, dass ich manche Bücher nie wieder vergessen
habe. Wenn es spannend war, las ich sogar manchen Abend im Licht der Petroleumlampe
weiter.
Und noch ein Grund, Bücher einzupacken: Man kann seine »Landschaften« mitnehmen.
Genau das habe ich getan: Hans Fallada und sein Berlin, Pommern, Mecklenburg; Heinrich
Böll und seine einzigartigen Bücher aus der Nachkriegszeit; das Amerika der Sylvia Plath;
L.-G. Buchheim und die Kriegsmarine. Und Michael Roes Roman Rub' al-Khali/Leeres
Viertel - mein Wüstenklassiker. Mit Belletristik habe ich mich immer gut versorgt. Was die
maritimen Sachbücher betrifft: Ohne Moitessier und Hiscock lege ich nie ab. Auch schätze
ich Die sonderbare Reise des Donald Crowhurst . Dann gibt es ein Buch, das mich schon
begleitete, bevor ich segeln konnte: Hannes Lindemann, Allein über den Ozean .
Im Gegensatz zum Wüstenwanderer Achill, der meist mit dem Rucksack unterwegs ist,
kann ich alle gewünschten Bücher mitnehmen. Gewicht spielt keine große Rolle. Warum
eigentlich Bücher? Weil mir der Kopf weh tut, wenn der Luftdruck auf Sturm hinweist und
ich angreifbar bin. Dann hilft halt Lesen.
Abends widmete ich mich dem Logtagebuch. Da wurde ich Dinge los, die mich
beschäftigten: Prognosen für die Weiterfahrt, Skizzen von der Route und jedwede Stim-
mungen. Zu später Stunde warf ich nochmals einen Blick ins Rigg. Alles in Ordnung?
Keine Schäden sichtbar? Zum Abendbrot schmierte ich mir ein Knäckebrot, löffelte eine
Schale Müsli oder begnügte mich mit einer Handvoll Dörrobst. Dazu gab es über meinen
Kurzwellenempfänger Nachrichten, vielleicht auch eine halbe Stunde Musik. Es war auch
die Zeit, in der ich sang. Standen Wind und See optimal zum Kurs, verholte ich mich in
meinen Schlafsack. Doch alle zwei Stunden wurde ich spätestens wach - Kurskontrolle
und Blick ins Wettergeschehen waren erforderlich. Einen Wecker brauchte ich nur inner-
halb von Schifffahrtslinien. Grundsätzlich schläft man auf See nicht so entspannt wie zu
Hause im Bett. Immer gibt es Störungen: Böen, Winddrehungen, lautes Schlagen, Gis-
cht. Aufgrund der Unterbrechungen brauchte ich acht statt sechs Stunden Ruhe. Jedem un-
gewöhnlichen Geräusch folgte ein Gang an Deck. Oft brauchte ich eine halbe Stunde, um
die Ursache ausfindig zu machen.
Jede kleine Veränderung in den Windstärken oder im Seegang und jede minimale Bewe-
gung des Schiffs nahmen mein Körper und Kopf sowieso wahr, egal wie müde ich war.
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