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Warum das Meer?
Wilfried Erdmann
DIE ERDE führt durch die Erde; aber du, Meer, führst durch
den Himmel.
Juan Ramón Jiménez, Traum-Nocturno
Ich hätte nie geglaubt, dass mein Leben wieder so lebendig werden könnte: Umso richtiger
schien mir mein Entschluss, über den Atlantik zu segeln. Nun war ich schon lange unterwegs
und erwartete, jeden Augenblick Land zu sehen, im Dunkeln ganz plötzlich in der Brandung
zu stehen oder sogar in einer ruhigen Bucht Grund zu spüren. Wenn ich so daran dachte,
im Mast, an Deck oder im Cockpit beim Ausguckhalten, raste mein Herz, und mir wurde so
blümerant, dass ich mich festhalten musste. Wenn ich die Seekarte ausbreitete, dachte ich
sogar: Nur schnell wieder raus an Deck, die Insel liegt vielleicht voraus - zum Greifen nahe!
Eigentlich lächerlich. Ich wusste, jedes hohe Land ist bei klarem Wetter selbst des Nachts
über Meilen hinweg sichtbar. Ich wusste auch, dass ich nicht wusste, wo ich mich nach
den Koordinaten befand. Ich hatte die Orientierung verloren. Was Wunder nach fast sieben
Wochen Unterwegssein, ohne den Längengrad (mangels einer korrekten Uhrzeit) berechnen
zu können. Die Folge: Ich konnte an Bord nur nach der Breite navigieren. Das führte zu
dieser bedenklichen Situation.
Auf der westlichen Seite des Atlantiks liegen die Antillen. Insel neben Insel. Vielleicht
war ich in dunkler Nacht schon hindurchgesegelt, ohne es zu bemerken. Ich hoffte nicht.
Der Gedanke daran war bedrückend. Kaum zu beschreiben, wie ich mich fühlte - statt das
ersehnte Blau einer Bucht, Riffe und Korallen zu sehen, war ich völlig im Ungewissen.
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