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Wellen zu, die den Rumpf der Dhau umspielten, und mir wurde klar: Wasser ist das Ele-
ment der Wandlung, das sich in einem großen Formenreichtum zeigt: Da gibt es geriffelte
Seekorridore, gischthelle Wogenzüge, spritziges Gestöber, schäumende Teppiche, kabbe-
lige Dünung, schnaufende Wellenherden, endloses Gewoge - und vieles mehr. Ebenso ab-
wechslungsreich ist auch die Farbe des Wassers. Zahllose Variationen von Blau, Grau und
Grün zaubern unendliche Vielfarbigkeit, die auch der Sand der Wüste bietet.
Sand ist gelb, Wasser ist blau - aber niemals auf ein und dieselbe Weise.
Wenn ich an der hölzernen Reling der Dhau stand, konnte ich im blauen Wasser des Indis-
chen Ozeans zuweilen riesige Fischschwärme in allen erdenklichen Formen und Farben
ausmachen. Und wenn eines der Schleppnetze aus dem Meer gezogen wurde, sah ich auf
dem Deck bizarre Fische, wie ich sie nie zuvor erblickt hatte: bunte Fische mit Fransen und
Stacheln, mal quergestreift, mal längsgestreift. Fische, die aussahen wie platte Steine oder
Schmetterlinge. Fische, die ich im Wasser meist nur für einen kurzen Moment zu Gesicht
bekam, ehe sie in der Tiefe entschwanden.
Diese Tage empfand ich wie ein Gottesgeschenk. Tage, an denen sich das Meer von sein-
er besten Seite zeigte. Gleichförmig stieg und fiel die Dünung. Es war ein angenehm san-
ftes Atmen, und die schäumenden Wellen rollten ganz sacht in weißen Streifen heckwärts
am Schiff vorbei. Die Crew hatte nun Zeit, um ihre Gebete und eindringlichen Gesänge
mehrmals am Tag anzustimmen: »Allah akbar« (Allah ist groß), wobei sich die Männer
auf den Schiffsplanken niederknieten, um zu beten. Sie verbeugten sich gen Norden, nach
Mekka, wo der Meteorit Hadschar al-Aswad in der Kaaba, einem großen Kubus, bewahrt
wird. Ein heiliger schwarzer Stein, den Abraham nach dem Glauben der Muslime einst
vom Erzengel Gabriel erhielt.
Noch schöner als die sonnigen Tage waren aber die klaren Nächte. Dann lag ich an Deck
auf einer Grasmatte und blickte zu den Myriaden von Sternen hinauf, die in der samtenen
Dunkelheit wie Katzenaugen glitzerten. Ein leuchtender Nachthimmel, in dem die Milch-
straße zum Greifen nahe war, während die schwarze, schweigende Weite des Indischen
Ozeans mir wie ein Korridor der Zeit erschien, in dem die Jahrhunderte der Seefahrt ver-
wehten.
Dann Sansibar. Die Entdeckung der berühmten Gewürzinsel geht auf die Bantus zurück,
die vom Festland über eine längst versunkene Landverbindung zogen. Später kamen die
Sumerer und Assyrer, Ägypter und Phönizier, Chinesen und Araber, Holländer und Briten.
Alle erhofften sich Reichtum durch Gold, Gewürze und Sklaven. Und alle verewigten sich
im geschichtlichen Inseltagebuch. Viele haben ihr Leben riskiert, um hier anzukommen,
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