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Leben fand davor unter Zeltdächern statt, oder waren es Grasdächer? Savannengras? Ich
weiß es nicht mehr so genau. Wegweiser? Fehlanzeige. Trinkwasser gab's nur aus Leder-
beuteln und aus meinen Flaschen. Einen Schlafplatz zu finden war die leichteste Aufgabe.
Eine Familie mit einem Lehmhaus oder Zelt, wo ich mich ausbreiten konnte, fand sich im-
mer.
Jetzt muss man nicht denken, dass dort nur herrlich weißer oder gelber Sand ist. Verstärkt
fand ich auch festen dunklen Sand mit Steinchen und Steinen dazwischen und Savanne.
Den losen Sand hatte der Wind zu kleinen Dünen aufgeweht, die ich umfahren musste. Und
es war auch nicht so, dass ich mich nach sorgfältiger Wegbeschreibung der Einheimischen
aufs Rad setzte und 30 Kilometer in einem Stück durchfuhr. Schon nach wenigen Kilomet-
ern landete ich meist an einer Gabelung und musste mir meine Route zusammendenken,
mit Hilfe der Sonne und meiner Saharakarte von Michelin. Ohne die hätte ich Ghadames
nie gefunden. Darin waren neben Sandpisten auch winzige Ansiedlungen mit Brunnen und
Palmen verzeichnet, die aber selten noch bewohnt waren.
Das Fahren war streckenweise nur ein Schieben. Wurde der Sand zu fein, war es nämlich
unmöglich, die Balance zu halten. Meine Laufräder rutschten seitlich weg, und die weltbe-
ste Campagnolo-Kettenschaltung knirschte, trotz allem Schmieren und Ölen. Dabei hatte
ich mein Gepäck erneut enorm reduziert. Höchstens noch 15 Kilo. Inklusive Fladenbrot,
Datteln, Kekse und Wasser in meinen Aluminium-Trinkflaschen. Die waren noch ein Re-
likt meiner DDR-Rennfahrerzeit - dort die »schnellen Pullen« genannt. Kam ich gegen
Mittag in einer Siedlung an, bot man mir sofort einen Schattenplatz und reichte mir einen
Krug Wasser. Nie werde ich diese Augenblicke vergessen, wenn das kühle Nass aus dem
Tonkrug durch meine Kehle rann. Wurde mir ein Essen gereicht, Lammfleisch und Hirse
zum Beispiel, hatte ich ein ähnlich wohliges Gefühl.
Hygiene fand in der Wüste statt - mit Sand. Dennoch fühlte ich mich bald dreckig. Ich
kann mich nicht erinnern, jemals eine Toilette aufgesucht zu haben. Offenbar transpirierte
ich alles Flüssige. Kann mich auch nicht erinnern, Wasser verweigert zu haben. Was Wun-
der: Es war heiß, brüllend heiß. Tagsüber konnte ich die Hitze nicht abschütteln. Manch-
mal trat die sandige Wüste ganz nahe heran, und ihr Gelb und Grau wandelte sich in der
Weite zu einem dunstigen Violett, das schließlich im blassen Blau des Himmels aufging.
Der Horizont flimmerte und verschwamm. Wegen dieser Umstände radelte ich auch nur
vom frühen Morgen bis zur Mittagszeit. Zudem hatte ich mit Sportschuhen, Socken, Shorts
und Hemden nicht die richtige Kleidung. Vieles war verdammt anstrengend - der Pedal-
tritt, die Balance in der Spur halten, der Blick in die leere Landschaft. Kein Baum, kein
Berg stoppte die Sicht überm Lenker.
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