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Na ja, radeln war es offenkundig nicht. Die Berge hoch, häufig über endlose Serpentinen,
die Sonne heiß, der Magen leer und die Kehle trocken.
In Palermo angekommen, legte ich eine zweiwöchige Pause ein. Aus dem Stand erklet-
terte ich erst (in Sportschuhen) die berühmte Nordwand des Monte Pellegrino, den auch Go-
ethe schon bestiegen hatte. (Leider erklomm ich nie wieder eine Wand, mangels Gelegen-
heit.) Dann verdiente ich mir als Handwerker in einem Kaufhaus ein paar der riesengroßen
Lirescheine und war nun finanziell bereit für Afrika.
Tunesien hatte vor kurzem (1956) seine Unabhängigkeit von Frankreich erlangt und war
für mich schön, fremd und freundlich. Zur Schüssel Hirse stellte man mir einen Tonkrug
Wasser, den ich auch brauchte, wegen der Schärfe des Essens. Obstsaft bekam ich aus
frischgepressten Früchten. Köstlich. In Sfax, in einem dieser exotischen Kellergeschäfte,
stöberte ich eine Straßenkarte auf, die mir ins Auge stach. Eine Michelinkarte von Norda-
frika mit allem, was eine Straßenkarte so dokumentieren sollte. Eingezeichnet waren Routen
und Wege durch die Sahara mit Oasen und Brunnen. Toll. Ich war ganz hingerissen. Die
Sahara, die sollte es sein. Ich fuhr weiter entlang der Küstenstraße bis Gabès, wo ich mich
endgültig für die Libysche Wüste entschied und rasch entschlossen Ghat, poste restante
als Postkasten für die Briefe meiner Familie wählte. Ziemlich blauäugig, genau genommen
Wahnsinn. Ghat lag fast tausend Kilometer von der Küste in die pure Sahara hinein. Dies als
Beispiel, wie ungemein eine Landkarte motivieren kann.
In der Nähe von Gabès schaute ich mir schon mal eine Oase an, wo ich auch meine ersten
Bananenstauden bewunderte. Kopfüber wuchsen sie mannshoch an kräftigen Stängeln. Zu
ernten gab es nichts, sie waren noch ganz grün und somit unreif. Ich hätte ein Foto gemacht
(konnte ich leider nicht, denn ich hatte keine Kamera, und das war ein großer Fehler). Von
der Küstenstadt Gabès fuhr ich nach Süden, über eine vage Sandpiste (von Weg will ich
nicht reden), und landete zwei Tage später in Nalut, Libyen. Auf einem wunderschönen Tep-
pich unter einer Art Vorzelt vor einem weißen Haus wurde mir sogleich Tee serviert. Süßer
Tee in winzigen Gläsern, die Schnapsgläsern ähnelten. Das war richtig romantisch, so wie
man es sich in der Wüste vorstellt. Umgeben von Sand, einem Kamel und wild aussehenden
Menschen. Ungezügelt jagten Worte über mich hinweg. Kinder drehten an meinem Rad.
Man brachte mir einen ganzen Krug voll Wasser, den ich gleich an den Mund setzte. Das
Wasser im Tonkrug war angenehm kühl - somit schnell ausgetrunken. Bald kippte ich in
Liegestellung, der erste sandige Abschnitt hatte mich total ausgelaugt.
Nalut hatte auch einen Polizisten. Der wollte meinen Pass sehen. Vor allem suchte er darin
einen Stempel von der Grenze. Aber ich hatte keinen und zeigte ihm, wie ich gekommen
war. Mit dem Arm wies ich viele Male in die Richtung einer Bergkette. Verständigen kon-
nten wir uns ohnehin nicht. Ich befand mich doch erst wenige Stunden in Arabien, und in
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