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zu mir - aus der Erfahrung von Generationen schöpfen kann. Eine Erfahrung, die von un-
schätzbarer Bedeutung für den Erfolg meiner Reise ist. Also fliege ich zuweilen, je nach
Schwierigkeitsgrad des geplanten Unternehmens, für einige Tage oder Wochen in die aus-
geguckte Region, um einen geeigneten Menschen zu suchen, der bereit ist, mit mir in die
Wüste zu ziehen, und für den es das Wort »unmöglich« nicht gibt. Oft sind mir bei einer
solchen Suche der Zufall und das Glück zu Hilfe gekommen. Bei der Auswahl meines ein-
heimischen Reisegefährten ließ mich mein Menschengefühl nie im Stich. Immer waren es
Gefährten, die sich durch Willensstärke und Ausdauer auszeichneten, wobei sich Fremd-
heit und Vertrautheit in wunderbarer Weise ergänzten. Viele Gefährten waren oft sehr sch-
weigsam, was ich beim wochenlangen Unterwegssein als besonders angenehm empfinde.
Denn tagsüber genieße ich das Wandern - zu Fuß oder per Kamel - gerne wortlos, mag
nicht, wenn alles Gesehene oder Erlebte zerredet wird.
Zudem partizipiere ich natürlich von dem enormen Wüstenwissen meiner einheimischen
Gefährten und schätze die philosophische Ruhe, mit der sie der Wüste begegnen. Einer
Ruhe, die vielen Nomaden so eigen ist, und die auch mir dazu verhalf, die magische
Sprache der absoluten Leerräume zu verstehen und ein Gefühl der Überwältigung zu er-
leben, das mir beim Unterwegssein in der Einöde immer wieder den Atem raubt.
Je näher dann der Tag meiner Abreise rückt, desto zappeliger werde ich. Immer wieder
überdenke ich das Geplante, wäge nochmals Anstrengungen und Risiken ab und gehe zum
tausendsten Mal meine Checkliste durch, bis ein Kribbeln in der Magengegend die un-
bändige Vorfreude fast unerträglich macht. Denn ich weiß: Die Realität ist immer viel
schöner als das schönste Bild. Das sind Augenblicke, in denen ich es kaum erwarten kann,
wieder in meinem Zauberreich unterwegs zu sein, wo mich Hitze, Durst und Sandstürme
erwarten. Unter blassblauem Himmel werde ich dann mit einigen Kamelen durch die Ein-
samkeit ziehen, die Dünen hinauf und die Dünen hinunter, die Wadis entlang und die
Kiesebenen quer durch. Ich werde das Knirschen des Sandes unter den Tritten der Tiere
hören, werde ein Lied im Takt der rhythmischen Dromedarschritte summen und in die
Heimat meiner Seele eintauchen. Und am Abend, nach Sonnenuntergang, werde ich am
Lagerfeuer sitzen und aus einer Blechtasse süßen Tee trinken, während mir die Kälte in die
Glieder kriecht. Unter dem Sternenhimmel werde ich dem Schweigen der Weite lauschen,
das Übermaß an Stille in mich aufsaugen und das Ausgeliefertsein an die Launen der Natur
genießen.
In solchen Momenten möchte ich mit keinem Menschen auf der Welt tauschen. Denn das
Leben in der Wüste ist Bewegung und ständiger Wandel. Ohne Unterlass deckt der Wind
hier alles zu und legt wieder frei, schafft immerzu Neues - und dennoch bleibt die Land-
schaft gleich.
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