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Ich war gefangen von meinen Träumereien. Die wollte ich erfüllen. Also sparte ich wie be-
sessen für ein seefestes eigenes Segelboot - sozusagen für einen maritimen Aufbruch.
Vier Jahre, von 1961 bis 1965, hieß es arbeiten und Geld sparen und vor allem an meinem
Entschluss festhalten. Also: wenn dem Aufbruch nichts mehr im Wege stand, auch den Mut
aufbringen, die gesparten Mittel für eine Sache einzusetzen, von der ich keine Ahnung hatte.
Bislang hatte ich weder an einer Pinne gesessen, noch konnte ich die Qualität eines Bootes
beurteilen. Gesegelt hatte ich nur in meinen Träumen.
Im November 1965 sah ich in Alicante die KATHENA . Eine kleine, vermeintlich taugliche
Segelyacht, die zum Verkauf stand. 800 englische Pfund waren der Preis. Das passte,
die hatte ich zusammen. KATHENA war eine hochgetakelte Slup mit einer Länge von
7,62 Metern, trug 24 Quadratmeter Segelfläche und hatte als Kielschwerter nur 90 Zenti-
meter Tiefgang. An Technik waren ein 8-PS-Benziner und eine Staudrucklogge installiert.
Speed interessierte mich, der Motor weniger. Er startete erst mal sowieso nicht. Später legte
ich ihn wegen vieler Defekte komplett still. Mit KATHENA wollte ich gleich um die Welt se-
geln. Weite See, Häfen und blaue Buchten, Inseln und ihre Bewohner erleben. Im Hafen von
Alicante am spanischen Mittelmeer ließ sich davon leicht träumen. Ich war umgeben von
Segelbootsbesitzern, aber das Meer in seiner unendlichen Weite hatte keiner von ihnen je
besegelt. Ja, fast wäre auch ich im schönen Alicante hängengeblieben. Das einfache Leben
am Kai, das leichte Leben am Strand, überhaupt die spanische Lebensart machten träge und
verführten zum Bleiben.
Wie sah das Leben an der Muelle de Yates in Alicante aus? Ziemlich verrückt. Auf dem
Kai waren es die Männer, die Ordnung hielten, einige rauchten, andere waren für Geschicht-
en zuständig. Besserwisser fehlten natürlich nicht. Die Frauen dagegen gingen einkaufen
und hielten das Boot sauber. Ein Bild, das sich wahrscheinlich bis in die heutige Zeit nicht
verändert hat. Für mich waren die Monate dort von großer Bedeutung. Ich schnappte so
manchen Tipp auf und lernte besser englisch zu sprechen (die Mehrheit der Bootseigner
waren Engländer). Ging es um Arbeiten im Mast anderer Boote, war ich zur Stelle. Damit
verdiente ich mir manchen Peso und wichtiger: Anerkennung.
Ich fing an, mich zu beheimaten in der Freiheit eines wunderbaren Hafens. Ich spürte, KA -
THENA ist eine Zuflucht, ich empfand sie schon jetzt als mein Zuhause. Aber auch Alicante
war ein Ort in der Fremde, wo ich mich sicher fühlte. Hier hatte ich Freunde, den Markt,
den Bäcker, die Bodega … Sollte ich das alles aufgeben? Aus Ehrgeiz und Neugierde? Es ist
nicht nur reizvoll, sondern auch dramatisch, in eine Welt aufzubrechen, die einem unbekannt
ist - Ozeansegeln, Südseesegeln, Weltumsegeln. Alles kribbelte in mir, und ich musste mich
schütteln, um unliebsame Gedanken loszuwerden.
Indes: Monate später schrieb ich in mein Logbuch, das zugleich Tagebuch war:
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