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Moser Mich hat damals die Wüste in Marokko total begeistert. Da war die Vielfalt der
Landschaft und die ungeheure Stille. Ich fühlte mich so herrlich weit weg von der normalen
Welt, als wäre ich auf einem menschenleeren Planeten gelandet. Und dann die Weite, die
so magisch verlockend ist, wie stürzende Tiefen; eine Weite, die mich im Laufe der Zeit re-
gelrecht süchtig gemacht hat. Und dann natürlich das Wüstenwandern. Man läuft nicht nur
durch eine wüste Landschaft, sondern geht auch durch »innere Wüsten«. Das hat mich am
meisten überrascht, dass die Wüste eine riesige »Denklandschaft« ist. Beim stetigen Dahin-
laufen verändert sich nicht nur die Landschaft, sondern auch der eigene »Gedankenhori-
zont«, das ist schon eine irre Erfahrung! Dieser Gedankenwelt ist man total ausgeliefert -
und ich musste lernen, mich selber auszuhalten, ohne jede Ablenkung. Das war für mich
das Schwerste beim Unterwegssein in der Einsamkeit. Und bei dir?
Erdmann Ich bin sehr wetterabhängig. Läuft alles nach Wunsch, bin ich total begeistert
von meiner Situation. Ich schwebe an Bord. Auch bei richtigen Flauten und normalen Stur-
mphasen fühle ich mich noch gut. Mich fasziniert beim Alleinsegeln das Unerreichbar-
sein. Mehr noch, das machen zu können, was man will. Ich muss niemandem Rechenschaft
abgeben. Wäre ich sonst Einhandsegler? Und trotzdem waren auch meine langjährigen
Fahrten mit Astrid und Sohn Kym Paradiestörns. Klar, nicht immer läuft alles rund. Wäre
auch zu langweilig. Aber wir hatten an Bord die schönsten Zeiten unseres Lebens. Achill,
wie wirst du eigentlich genannt: Wüstengänger, Wüstenwanderer? Obschon Wandern in
der Wüste sicher nichts mit »Wanderlust« zu tun hat.
Moser Es ist mir egal, wie man mein Unterwegssein benennt. Entscheidend ist, dass das
Wüstenwandern eine große Lebensbereicherung ist. Eine Art Rückkehr zur Langsamkeit,
eine Rückkehr zur »Überschaubarkeit«, manchmal auch eine Form der Meditation, wobei
ich eine herrliche Leere spüre. Schon in den Wüsten Asiens habe ich erfahren, dass die
Leere im Buddhismus als eine Art von Glücksempfindung betrachtet wird. Ein schöner
Gedanke. Dieses Glück spüre ich beim Wüstenwandern: Oft bin ich unterwegs nur auf die
nächsten Schritte und auf die Schönheit der Natur fokussiert. So rutsche ich dann von Tag
zu Tag in ein anderes Leben, bin Nomade, der sich in der Weite wohl fühlt. Genau diese
»weite Sicht« ist mir wichtig, das gilt auch für unsere Welt. Was meinst du, brauchen wir
heutzutage in der Welt mehr »Weitsicht«?
Erdmann O Gott, da fragst du was. Mit meiner Weitsicht hapert es nämlich, sonst hätte
ich jetzt eine schöne Rente. Doch ernsthaft: Ich liebe das Leben, wie die Natur und das
Schicksal es bieten. Man hat auf hoher See nicht immer weite Sicht, sondern dann und
wann Nebel. Das ist auch schön. Ich fühle mich in dickem Nebel relativ wohl. Segelnd
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