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ten Tausende und Abertausende von Lichtpunkten, die dicht beieinanderstanden: glanzvoll
und unwirklich. Ich sah Lichterbahnen, Lichterteppiche und immer wieder Sternschnup-
pen, die mit leuchtendem Schweif durch die Milchstraße zischten. Manchmal zählte ich in
einer Nacht so viele Sternschnuppen, dass ich schon längst keine Wünsche mehr hatte. Und
wenn sich Schlaf und Wirklichkeit ineinanderschoben, war das Licht der Sterne das Letzte,
was ich sah, ehe mir die Augen vor Müdigkeit zufielen.
Und schließlich das Arabische Meer: Ich erblickte es am Ende eines welligen Sandtep-
pichs, jenseits der Küstenstraße, die den Norden des Oman mit dem Süden verbindet. Unter
der hohen Mittagssonne erstreckte sich ein blauer wogender Streifen Unendlichkeit. Karges
Wüstenland rollte zum Meer hin aus. Nur hier und da spärliches Buschwerk, mehr Steine
als Grashalme. Der Himmel darüber, in dem große Wolkenovale schwebten, war die Gren-
ze. Was für ein Kontrast! Eben noch die Gleichförmigkeit des gelben Sandmeers und das
Laufen zwischen hohen Dünen - und nun ein ozeanisches Blau, das mir die Weite des
Meeres bot. Schritt für Schritt lief ich über einen ausgedehnten Strand, näherte mich den
Wellen, die von weit herkamen, die sich kräuselten, gewundene Kanäle erzeugten, um gis-
chtend zu zerfallen. Die Sonne war so grell, dass das Wasser ihre Strahlen reflektierte. Ganz
deutlich nahm ich dieses stetige Ziehen und Schieben der See wahr, während die Brandung
hoch aufschäumte, Gischt über die Kämme sprühte, lange Wellenzüge heranrauschten und
auf dem Strand ausrollten. Meeresschaum auf hellbraunem Sand. Zischendes Wasser, das
meine Zehen und Füße benetzte, die Beine bis zu den Knien umspülte. Ich spürte den Wind,
der auf das Land zublies. Feinsalzige Frische. Prickelnde Kühle auf der Haut. Momente, in
denen ich das Ankommen genoss.
Nach einer Weile setzte ich mich auf den Strand. Die Hand voller Sand, ließ ich die Körner
langsam durch meine Finger rinnen, wie auch meine Zeit in der Wüste durch das Stun-
denglas lief. Ich wusste, dass mein Weg in die zivilisiertere Welt nicht mehr weit war und
der kleine Küstenort Khuwaymah nur noch wenige Kilometer entfernt lag.
Für einige Augenblicke ergriff mich Melancholie, denn mir war klar, dass sich ein Tag
wie dieser nicht wiederholen würde. Und so saugte ich alles in mich auf, hielt diese Au-
genblicke fest - und ließ das Wallen des Ozeans eine ganze Zeit lang auf mich wirken.
Versunken lauschte ich dem Raunen, Rauschen, Murmeln und Flüstern der See, schaute
dem lebendigen Wellenballett zu, fühlte mich der Wüste und dem Meer verwandt und
dachte, wie schön es wohl wäre, von den rücklaufenden Wasserströmungen hinaus aufs
Meer getragen zu werden. Doch die Realität hielt mich am Ufer - ein Zustand des bloßen
Da-Seins.
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