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Stadt leben. Sie brauchen die Weite. Sesshaftigkeit und materielle Bindungen lehnen sie
ab. Nur so können sie ein naturgemäßes Leben führen, dem ich mich auf seltsame Weise
verbunden fühle.
Manche Beduinen, die ich auf meinem Weg traf, gaben mir mit eindeutiger Gestik zu
verstehen, dass sie für sich sein wollten, was ich respektierte. Andere halfen mir mit Wasser
und Nahrung aus, wenn ich etwas brauchte. Und wieder andere umarmten mich und hießen
mich mit dem ganzen feierlichen Begrüßungsritual der Wüstenbewohner willkommen und
luden mich in ihre einfachen Hütten ein, die hin und wieder vorsintflutlichen Behausungen
glichen. Im Schneidersitz saß ich dann mit den Männern auf einer Decke. Alle trugen die
Dishdash, das traditionelle omanische Gewand, bodenlang und aus Naturfasern gefertigt,
das den ganzen Körper bedeckt. Ihre dunkelhäutigen Gesichter waren von Sonne, Wind
und Staub gegerbt, während die oft buntgekleideten Beduinenfrauen ihre Gesichter aus-
nahmslos hinter einen Schleier verbagen. Für ein paar Stunden genoss ich Gemeinschaft
und Gastfreundschaft, bekam Kaffee und Wasser, aß mit Genuss das köstliche Fladenbrot,
das in der heißen Asche einer kleinen Feuerstelle gebacken wurde. Anschließend klopften
die Frauen es mithilfe eines Tuches und eines Steins ab, damit kein Sand zwischen den
Zähnen knirschte. Nach dem Essen wurde laut palavert, gelacht oder geschwiegen. Denn
in der Welt der Beduinen muss nichts Besonderes geschehen, um sich wohl zu fühlen.
Wenn ich mich dann wieder auf den Weg machte, wusste ich, dass ich meine Gastgeber
nie wiedersehen würde. Das ist das Merkwürdige beim Unterwegssein in entlegenen Erd-
winkeln, das mich nach wie vor berührt: Man trifft Menschen, lernt sie kurz kennen und
nimmt wieder Abschied. Was bleibt, sind Erinnerungen an ein paar Stunden voller Gesel-
ligkeit und menschlicher Wärme. Erinnerungen an Menschen, die ein ganz anderes Leben
führen und die für mich Hüter und Bewahrer einer äußerlich armen, aber innerlich sehr
reichen archaischen Lebensform sind.
Da waren die Pflanzen und Tiere, die in dieser scheinbar leblosen Ödnis existieren. Über-
wiegend traf ich auf pflanzliches Leben, das sich meist knorrig, borstig und dornig zeigte.
Zwischen vereinzelten Akazien, Tamarisken, Mesquite-Bäumen, Sträuchern und Büschen
wuchsen verschiedenste Grasarten. Manchmal klammerten sich nur ein paar zarte Halme
an die Sandberge, dann wieder ganze Büschel von leuchtend grünem Dünengras. Nicht
zu vergessen die Ghaf-Bäume, die sehr tief im Erdboden wurzeln und so die Dünenhänge
stabilisieren; die salzresistente Rimth-Pflanze, die den Beduinen zur Fertigung von Seife
dient; der drei bis sechs Meter hohe Zahnbürstenbaum, dessen hängende Zweige sich zur
Zahnreinigung eignen, während die Blätter der Arta-Pflanze bei Zahnschmerzen gekaut
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