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wo wir viele scheue Gazellen sahen. Allmählich nahm der Sand überhand, bis er den Kalk-
steinboden schließlich völlig bedeckte. Am zweiten Tag erreichten wir den etwa zweiein-
halb Meter tiefen Brunnen von Tawi Harian, wo wir einige Wahiba trafen, die Esel, aber
keine Kamele bei sich hatten. Sobald wir Wasser gefasst hatten, zogen wir weiter, da wir
überflüssigen Fragen aus dem Weg gehen wollten. Nun ritten wir nordwärts durch Talun-
gen, die einen Kilometer breit und von etwa 60 Meter hohen Dünenzügen flankiert waren.
In diesen Talungen erheben sich seltsamerweise in Abständen von etwa drei Kilometern
kleine Stufen aus hartem Sand. Der Sand auf der Talsohle war rostrot, die Dünen jedoch
zeigten auf beiden Seiten honiggelbe Farbe.
Am nächsten Morgen ging es hinein in die Wüste. Zehn Tage wanderte ich im Gebiet
der Wahiba Sands - von Norden nach Süden. Ich folgte einem langgezogenen Wadi, einer
sandigen Piste und vielen welligen Tälern, flankiert von hohen, sich übergipfelnden Dün-
en, die sich zu beiden Seiten meines Weges erstreckten. Zehn Tage, in denen die Sonne
zwischen Morgen- und Abenddämmerung mit grellem Licht vom Himmel brannte. Eine
Helligkeit, die in jeden Quadratmeter dieser Landschaft einzudringen schien, während die
Luft über dem Erdboden gelegentlich flimmerte und wie ein durchsichtiger Film über dem
Gelände lag.
Zehn Tage zu Fuß in einer weltweit einmaligen Wüste, in der meine Wanderung keine
Extremtour war, eher eine Tour großer Momente. Zehn Tage, in denen das Gehen fast alle
meine Gedanken in Anspruch nahm. Alles Überflüssige war ausgeblendet, die Beine liefen
rhythmisch, die Füße rollten ab, die Arme schwangen unterstützend mit, und die Lunge at-
mete dazu. Zehn Tage wanderte ich zumeist im Vier-Schritte-Tempo. Was das heißt? Vier
Schritte gehen, dann einatmen, wieder vier Schritte gehen, dann ausatmen. Kilometer für
Kilometer. Alles war Bewegung, alles erschien mir ganz leicht, jeder Schritt, jede Atmung,
selbst der Rucksack drückte kaum, war Teil meines selbstvergessenen Gehens. Ich war
Herr meiner Zeit, meines Schicksals und spürte bald schon eine große Leichtigkeit. Was für
ein wunderbares Gefühl, wie ein Kind durch die Welt zu laufen: übermütig, unbeschwert,
neugierig.
Selbst der Körper veränderte sich, war nicht mehr so ungelenk und kantig, eher weich
und meditativ. Besonders in den frühen Morgenstunden, wenn die Sonne noch nicht so
hoch stand und die Luft herrlich frisch war, tankte mein Körper Energie, von der ich
den ganzen Tag lebte, wenn ich schweigsam voranging, das Alleinsein genoss und meine
Augen alle möglichen Sandstrukturen und Farbkompositionen aufsaugten. Eine kaum zu
bewältigende Bilderflut. Landschaftsbilder von archaischer Eintönigkeit und sinnlicher
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