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Für die arabischen Beduinen ist diese Wüste das Land der Dschinns, der Geister, die
hier nachts zwischen den Sandbergen umherirren und ihre geheimnisvollen Lieder singen.
Seit jeher soll die Heimat der Dschinns in dieser Bilderbuchwüste liegen, die auch als
»Feuchtluftwüste« gilt. Denn neben traumhaften Sandmeeren gibt es hier einen einzigarti-
gen Pflanzen- und Tierreichtum, der sich durch die Nähe zum Arabischen Meer entfalten
konnte. Ozeanische Luftfeuchtigkeit, die sich als Morgentau auf dem Wüstenland nieder-
schlägt, sorgt in einigen Teilen der Wahiba Sands für eine weltweit einmalige Vielfalt von
Flora und Fauna: Hier gibt es nicht nur 16 000 wirbellose Tiere, sondern auch 200 Arten
von Säugetieren, Reptilien und Vögeln - sowie 180 verschiedene Pflanzenarten.
Im Geländewagen fuhr ich am Nordrand der Wahiba Sands entlang und besuchte einige
Oasen: Al Qabil, Al Mintirib, Bidiyah und Al Hawaiyah. Orte mit schlichten, meist weiß-
getünchten Häusern, deren Fassaden arabische Ornamente zierten. Oasenstädte mit riesigen
Palmenhainen, Bananenstauden, Gemüsegärten und manchmal einem kleinen Fort.
Einen Tag vor meinem Aufbruch in die Geisterwüste des Sultanats Oman machte ich es
mir am Nachmittag auf einem Sandhügel in Al Hawaiyah bequem, wie sich auch Wilfried
Thesiger vor mehr als 70 Jahren friedlich in die Sonne legte, nachdem er den Gipfel einer
Düne erklommen hatte. Damals schrieb er über die arabische Gastfreundschaft: Das Bedür-
fnis allein zu sein, wird der Bedu niemals verstehen und immer mit Misstrauen vermerken.
Engländer haben mich häufig gefragt, ob ich mich denn in der Wüste niemals einsam ge-
fühlt habe. In all den Jahren, die ich dort verbracht habe, bin ich wohl immer nur sehr kur-
ze Zeit allein gewesen. Die schlimmste Form der Einsamkeit ist die Verlorenheit inmitten
einer Menschenmenge. Ich habe mich in der Schule einsam gefühlt und in europäischen
Städten, wo ich niemanden kannte. Aber unter den Arabern war ich niemals einsam. In
Städten, wo mich niemand kannte, ging ich einfach in den Basar und begann ein Gespräch
mit einem Händler. Er lud mich ein, in seiner Bude Platz zu nehmen, und ließ Tee kommen.
Andere Leute gesellten sich zu uns. Man fragte mich, wer ich sei, woher ich komme, und
stellte unzählige andere Fragen, die wir einem Fremden niemals stellen würden. Und dann
sagte einer: »Komm, iss mit mir zu Mittag.« Beim Essen traf ich dann weitere Araber, und
einer von ihnen lud mich zum Abendessen ein. Ich habe mich oft traurig gefragt, was sich
wohl ein Araber denkt, der England bereist. Ich hoffe, er hat begriffen, dass wir unterein-
ander ebenso unfreundlich sind, wie wir ihm gegenüber unfreundlich erscheinen müssen.
Einmal mehr war ich von diesen Zeilen tief berührt. Und so blätterte ich noch etwas weit-
er in dem Reisebericht Thesigers, las über seine Reise durch die Wahiba Sands: Wir ritten
vier der schönsten Kamele Arabiens und konnten, wenn es sich als nötig erwies, schnell
reisen und große Strecken zurücklegen. Zunächst überquerten wir eine Kiesebene, auf der
fleckenweise rötlicher Sand lag und die von kleinen Kalksteintafeln unterbrochen wurde,
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