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Eines meiner schönsten Jollenerlebnisse auf der Ostsee war, bei strömendem Sommerre-
gen den ganzen Tag über von Årøsund bis in die Schlei an der Pinne zu sitzen. Allein. In der
einen Hand das Ruder, in der anderen eine Pütz, mit der ich die Bilge lenzte (meine Jolle
hatte keine selbstlenzende Plicht). Was ins Boot regnete, lief nicht ab, es schwappte über
die gesamte Bilge und an den Bordwänden hoch. Das rhythmische Klatschen des Wassers -
innen wie außen - war die Quelle, die mir die nötige Kraft und Lust gab, solch ein Wet-
ter über Stunden zu genießen. Es war ein unverwechselbares Erlebnis, weil sich die Natur
zugleich weich und mild zeigte. Land war nicht auszumachen, in Sichtweite nur Wass-
er und mein kleines Boot. Ein herrliches Gefühl, so als gäbe es auf der Ostsee nur mich.
Als Krönung ankerte ich später am Schilfsaum auf schimmerndem Wasser der Schlei. Das
Wasser war bläulich, aber so klar, dass ich kleine Sandhügel am Grund erkennen konnte,
beinahe so, als ob gar kein Wasser da wäre. Ringsum wuchsen dunkelgrüne Schilfstängel
aus dem Boden, welche sich in der leichten Strömung wiegten. Ich konnte diese Strömung
fühlen. Es gibt keine einsameren Orte als flache und geschützte Ankerbuchten.
Diese Unabhängigkeit ist leicht finanzierbar. Man zahlt dafür nicht mehr als für einen
Pkw - einen Golf zum Beispiel. Darin eingerechnet Ausrüstung und die gesamten Kosten
eines Sommers.
Und los geht's. Let's sail!
Einmal habe ich eine monatelange Jollenreise nach Dänemark und Mecklenburg-Vorpom-
mern unternommen. Allerdings aus Interesse an der Landschaft, aus Neugierde und aus
sportlichen Gründen. Wohl auch aus historischem Interesse, denn es war 1990, das Jahr
nach dem Mauerfall. Da ich an Bord meines »Zugvogels« (5,80 Meter Länge) keinen Mo-
tor hatte, wurden die Kanalstrecken in Mecklenburg-Vorpommern seglerisch zur Heraus-
forderung. Ich machte mir ein Spiel daraus, wie ich jeden Wind, der größtenteils durch
Busch und Bäume am Ufer abgedeckt oder abgelenkt war, zu nutzen versuchte. Man
konzentriert sich dabei so sehr aufs Segeln, dass man alles andere vergisst.
Einen Segelschein braucht man für solche Jollentörns nicht. Aufgrund des geringen
Tiefgangs kann man überall dicht ans Land heran. Wild und frei an Bäumen festmachen
und übernachten, nah am Ufer, vor Schleusen und wo auch immer. Total romantisch. Ich
war traurig, als meine Reise zu Ende war.
Auch im Hinblick auf die Umwelt war diese Jollenreise vorbildlich. Ich hatte danach
kein Segel verschlissen, keine Instrumente zum Wegwerfen (außer Kompass und Radioem-
pfänger war ja nichts vorhanden), keine Reparaturen. Sicherlich alles nachhaltig. Gekocht
wurde mit Petroleum auf einem einflammigen Kocher.
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