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Was passiert, wenn man über Bord fällt? Das haben wir Kym ziemlich drastisch vorge-
führt, indem wir einfach sein liebstes Spielzeug beim Segeln ins Wasser fallen ließen. Puh,
das war schrecklich. Aber er sah mit eigenen Augen, wie schnell das Ding achteraus ver-
schwand und es trotz aller Versuche nicht gelang, es wieder herauszufischen. »Weg ist
es. So kann's dir auch passieren, wenn du nicht aufpasst.« Hässliche Worte? Ja, aber sie
zeigten (hatten) Wirkung. Anfangs hat er das natürlich nicht verstanden, aber immerhin in
Zukunft Bescheid gesagt, wenn er je nach Wetter an Deck oder auch nur ins Cockpit ging.
Nie ist er auf See in die Bredouille geraten. Sein einziger Fehltritt in dreieinhalb Jahren en-
dete im Wasser unseres Zielhafens Beaulieu. Da war er knapp sieben Jahre alt.
Schwimmen lernen war demnach die erste Pflicht. Das dauerte und dauerte. Er mochte
einfach nicht. Ihm genügten der Strand und das Wasser bis zum Bauch. Bis ich nach fast
einem Jahr die Geduld verlor und ihn in der Lagune von Nukumanu einfach in die Arme
nahm und ohne Vorwarnung, schwups, im hohen Bogen in das türkise Wasser warf. Ich
sprang kopfüber hinterher. Und was geschah? Er fing sofort an, mit Armen und Beinen zu
paddeln. Das reichte, um sich über Wasser zu halten. Die ersten echten Schwimmversuche
konnten wir am nächsten Morgen im seichten Wasser bewundern. Abends schaffte er schon
eine Runde ums Schiff - ehe er sich unter Ächzen und Stöhnen am Heck hochziehen ließ
und mit einem »Hurra« die Arme hochriss wie bei »Land in Sicht«.
Nukumanu ist ein Atoll mit Riffpassage und einer Lagune, die wie die Swimmingpools
in Kalifornien glitzerte. Dieser unvergessliche Anblick löste daher auch meine Anwand-
lung aus: »Der Junge muss endlich richtig schwimmen lernen.« Die Insel in ihrer isolierten
Lage bot zudem viele Vorteile für Segler: Schutz gegen Wetter, einiges Essbares an Land,
Sandstrand und selbstverständlich Palmen. Kurzum eine pazifische Schönheit. Leider gab
es auch Störer: die Moskitos. Wenn man in der Dämmerung ein Bein auf den Strand setzte,
man war eingehüllt von diesen Viechern. Vor Anker an Bord blieben wir verschont.
Am Anfang der Reise war der Strand Kyms Welt. Stundenlang stürzte er sich auf alles,
was krabbelte. Barfuß verfolgte er jede Art von Krebs, meistens jedoch Einsiedlerkrebse,
die er in leeren Kokosnussschalen sammelte, um sie als Köder zum Angeln zu benutzen.
Die größeren wurden über einer Glut geröstet. »Selbst geerntetes« Essen war ganz nach
seinem Geschmack. Dafür schien ihm kein Aufwand zu mühsam.
Kym: »Was gibt es zu essen?«
Astrid: »Ich habe an Reis, Zwiebeln und 'ne Dose gedacht.«
»Ich will einen Fisch. Fang doch einen Fisch für mich. In den Korallen schwimmen ganz
viele.«
Um den Dialog zu beenden, warf ich ein: »Ich hätte lieber Spaghetti mit Corned Beef.«
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