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musste ich etwas darstellen, um »dazuzugehören«. Ich war einfach da und wurde angen-
ommen, erfuhr vor allem Hilfsbereitschaft und Freundschaft, indem ich mich an ihre tradi-
tionellen Lebensumstände anpasste und mich ohne Widerspruch an ihre Bedürfnislosigkeit
gewöhnte. Es ist eine bescheidene Genügsamkeit, die zuweilen aus der Not entstand und
nach der sich viele Nomaden unbewusst ausgerichtet haben, um so die einzige wirkliche
Form der Freiheit zu leben. So spürte ich schon bald, dass es in der Wüste nicht um welt-
liche Genüsse, sondern um geistige Freuden ging - und erlebte besonders in den großen
Einöden des afrikanisch-arabischen Sprachraums kaum eine Trennung zwischen Alltag,
Tradition und Spiritualität. Die arabischen Wüstenbewohner sind vom Vertrauen in die
Vorbestimmung ihres Schicksals geprägt. Oft erklären sie ihr hartes Dasein in Sand und
Stein nur mit einem Wort: Mektub - »Alles steht geschrieben!«
Selbst in der Art des Gehens unterscheidet sich der Nomade von uns Europäern. Sein
Gangbild ist ganz anders: Meist schlurfen die Menschen der Wüste über den ausgetrock-
neten Erdboden, manchmal scheinen sie auch zu »huschen« oder federleicht zu tänzeln,
als würde ihnen das Gehen auf dem steinigen und sandigen Untergrund kaum etwas aus-
machen. Dabei stecken ihre Füße häufig in Plastiksandalen oder handgenähten Lederpan-
toffeln. Manch einer ist auch barfuß unterwegs, wobei sich unter den Fersen schon seit
Kindesbeinen eine dicke Schicht Hornhaut gebildet hat.
Gleichwohl hat mich das Gehen in der Wüste von Anfang an begeistert. Nicht, weil ich -
zum Leidwesen meiner Frau Rita - bis zum heutigen Tag noch immer keinen Führerschein
gemacht habe, sondern weil ich ein leidenschaftlicher Fußgänger bin, dem so mancher Sch-
ritt in der Einöde als einzigartig erscheint. Denn oft betrete ich unberührten Boden, laufe
über unerschlossenes Terrain, auf dem vielleicht nie zuvor ein Mensch gewandelt ist. Und
manchmal kann ich es kaum ertragen, dass ich beim Wüstenwandern mit meinen Schritten
im unversehrten Sand Spuren hinterlasse, die jedoch der Wind irgendwann wieder hinter
mir zudecken wird.
Der Wind ist mir eigentlich immer auf den Fersen. Nur selten lässt er mich allein, fast
immer ist er da und begleitet mich, ob ich will oder nicht. Schon am frühen Morgen, wenn
ich aus dem Biwak krieche, empfängt er mich. Manchmal streichelt er mich ganz sanft,
ein anderes Mal springt er mich unwirsch an. Fast immer führt er Staub- und Sandpartikel
mit sich, die sich auf meine Haut legen, während ich durch die Wüste gehe und meinen
Gedanken freien Lauf lasse, ohne die Möglichkeit, mit dem Rest der Welt in Verbindung zu
treten. Denn niemals habe ich ein Handy oder ein Funktelefon im Gepäck. Es gehört zum
einfachen Nomadenleben, dass ich mich nur auf mich selbst verlasse.
Zudem empfinde ich das Gehen in der Wüste als eine Vereinfachung des Lebens. Es ist
eine kindliche Begeisterung, die ich besonders spüre, wenn ich durch Sand und Stein gehe
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