Travel Reference
In-Depth Information
presste die Handflächen zusammen, während seine Lippen die Silben eines Mantras mur-
melten. Immer wieder rezitierte er die heilige Formel. Wohltuende Worte, die zu einem
beruhigenden Summen verschmolzen und den frommen Mann in eine Art Trance verset-
zten, während ich mich etwas abseits auf einen erhöhten Steinblock setzte. Nach dem Ge-
bet begrüßte mich der Alte mit nicht enden wollenden Grußformeln und goss mir aus ein-
er bunten Thermosflasche milchigen mongolischen Tee in einen Becher. Ich kramte aus
meinem Rucksack ein paar Kekse, reichte sie ihm und erzählte von meiner Wanderung. Er
sagte kein einziges Wort, verstand aber fraglos, was ich in der Wüste wollte.
Während ich weiter nach Nordosten zog, kam ich mir in der großen Leere oft ganz klein
und verloren vor. Wie ein Schwamm saugte die Weite meine Kräfte auf. Die Füße wur-
den schwerer, die Rucksackriemen bohrten sich schmerzhaft in die Schultern, und der Sch-
weiß lief mir aus allen Poren. Kein Wunder, dass meine Konzentration nachließ und ich
schließlich mehrere Navigationsfehler machte, die mich einige Male vom Kurs abbracht-
en. Wie besessen arbeitete ich mit Kompass und Karte, blickte immer wieder zum Hori-
zont und suchte nach spezifischen Landmarken. Ich war froh, als ich inmitten einer großen
Fläche aus Schotter und Sand einen Punkt im weiten Nichts entdeckte - und bald darauf
zu einer Jurte aus Flechtweiden, Stoff und Leder kam, vor der einige Kamelhirten saßen.
Bei heißem Tee und einer Portion gekochtem Hammelfleisch erfuhr ich, dass es bis zum
Mausoleum Dschingis Khans, dem Ziel meiner Wanderung, nicht mehr weit war. Ich war
unglaublich erleichtert. Sogleich spürte ich, dass die Worte der Mongolen ein enormer
Schub für die Energiereserven meines Körpers waren. Nun konnte ich auch meiner Navig-
ationsarbeit wieder vertrauen.
Und dann, am 61. Tag, erblickte ich Ejin Horo auf dem Ordos-Plateau, unweit von Dong-
sheng. In üppigem Grün erhob sich die Gedenkstätte des Dschingis Khan, für die Mon-
golen ein heiliger Ort. Acht weiße Palastzelte, wie sie der Khan bewohnt hatte, waren in
drei achteckigen Gebäuden mit jurtenförmigen Kuppeldächern untergebracht, deren blau-
und gelbglasierte Ziegel in der Sonne glänzten.
Vorbei an einigen Männern in blauen Gewändern und gelben Schärpen, die als Nach-
fahren mongolischer Soldaten die Gedenkstätte bewachten, trat ich in das Innere des
Mausoleums, wo ich erwartungsgemäß den Mongolenfürsten antraf. In Stein gehauen. Eine
fünf Meter hohe Statue in sitzender Haltung, die am Eingang des Mausoleums stand. Auf
einem Altar brannten Kerzen, daneben Blumensträuße und kleine Opfergaben. Mehrmals
im Jahr werden hier Feierlichkeiten zu Ehren des mächtigsten Herrschers des mongol-
ischen Reichs abgehalten: Dann singen mongolische Mönche, werden Butterlampen an-
Search WWH ::




Custom Search