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nas Wüsten gelten als Heimstatt des Windes und der Geister. Oft hörte ich nachts in den
Sandmeeren gespenstische Stimmen, Geflüster und Gesänge, aber auch Klänge von Flöten,
Orgeln oder Violinen. Manchmal war es, als würde mitten im Dünengewoge ein ganzes
Orchester spielen.
Auch der venezianische Weltreisende Marco Polo berichtet in seinem Buch Il Millione
( Die Wunder der Welt ) über die Geisterstimmen in der chinesischen Einöde: Folgendes ist
bezeugt: Während des nächtlichen Rittes durch die Wüste kann es geschehen, dass einer
ein wenig zurückbleibt, sich von seinen Gefährten entfernt, um zu schlafen oder aus ir-
gendeinem andern Grund. Wenn er sich dann seinen Mitreisenden wieder anschließen
möchte, vernimmt er Geisterstimmen, die sprechen, als wären sie seine Gefährten; denn
sie rufen ihn oft bei seinem Namen. Manchmal führen sie ihn derart in die Irre, dass er
die Karawane nie mehr findet. Auf diese Weise sind schon viele gestorben und spurlos ver-
schwunden. Dazu ist noch zu sagen: sogar am Tage hören die Menschen geisterhafte Stim-
men, und nicht selten meinen sie, verschiedene Musikinstrumente, besonders Trommeln, zu
vernehmen.
Nun wisst ihr, was es heißt, diese Wüste zu durchqueren, wie beschwerlich das ist.
Mein einsamer Weg durch Chinas Wüste Badain Jaran führte mich immer weiter nach
Osten. Doch unweit von Zhoujiajing sah ich mich mit einem Male 20 Mongolen ge-
genüber, die mich herzlich begrüßten. Statt farbenfroher Gewänder trugen sie blaue Arbeit-
sanzüge des chinesischen Proletariats. Ihr Lkw hatte eine Panne, ein Reifen musste
gewechselt werden. Anschließend wollten sie weiter nach Süden, um in Yongchang und
Lanzhou im Straßenbau zu arbeiten. Hilfsbereit tränkten sie meine Kamele, füllten die
Wasserkanister und luden mich in den Schatten ihres Wagens ein, wo ich mit Brot, Joghurt,
getrocknetem Käse und einigen Schalen Milch versorgt wurde. Seit Wochen war ich nicht
mehr so verwöhnt worden.
Nach 26 Tagen trennte ich mich in Minqin von den Kamelen. Es war kein leichter Ab-
schied, als die Tiere die Ladefläche eines Lkws zur Rückfahrt nach Dunhuang bestiegen.
Nun begann für mich die zweite Phase der Reise. Zu Fuß und per Rucksack machte
ich mich weiter auf den Weg nach Osten und tauchte in das Sandmeer der Tengger-Wüste
ein, Chinas viertgrößter Einöde mit 36 000 Quadratkilometern. Ein Sandwogenterrain mit
weiten Ebenen und welligen Hügeln. Zudem gab es in dieser Region einige Sümpfe und
Hunderte von großen und kleinen Seebecken.
Gelegentlich erschwerten traumhafte Dünenteppiche mein Vorankommen. Vor allem
wenn ich in die tiefen Senken abstieg, kam ich hin und wieder vom eingeschlagenen Kurs
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