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hörten: das Tosen des Windes, ehe sie ihr Leben verloren, erstickt und begraben von Sand
und Staub.
Ich dagegen hatte Glück, als der Sandsturm nach fast fünf Stunden spürbar nachließ. Im
ersten Moment dachte ich, es wäre nur Einbildung. Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff,
dass der Sandhagel und die Treibsandschwaden an Heftigkeit verloren und auch die brül-
lenden Windstimmen verstummten. Deutlich konnte ich es hören, fast fühlen. Der Sturm
flaute ab. Leer und ausgebrannt verharrten Himmel und Erde.
Wie in Trance befreite ich mich von den Flugsandverwehungen, verscheuchte die
Benommenheit und zog an den Führungsleinen der Kamele, die sich sofort erhoben, ein
paar Schritte machten und den Sand abschüttelten. Dann ging ich steifbeinig zu den
Wasserkanistern, gab den Tieren zu trinken und trank selbst mit gierigen Zügen, ehe ich
einige Stücke Fladenbrot mit Schmierkäse aß und einen Energieriegel. Brennstoff für den
Körper.
Nur ein fahler Schimmer deutete am grauen Himmel das Vorhandensein der Sonne an,
die noch für Stunden verschwunden blieb. Doch es gab wieder einen Horizont, auch wenn
ganz feiner Sandnebel die Luft noch trübte.
Der Sturm hatte eine seltsame Stille hinterlassen, die sich nun ringsum ausbreitete. Eine
spannungsgeladene, fast unheimliche Stille, die mir die enorme Einsamkeit dieser Region
unvermittelt bewusst machte. Eine Stille, an die ich mich erst gewöhnen musste, ehe ich
sie ganz tief in meinen Körper und meine Seele hineinließ. Es war, als hielt die Welt den
Atem an - und immer wieder horchte ich in die Weite hinaus, lauschte nach einem Ger-
äusch. Da musste doch etwas sein? Doch da war nichts. Nur Schweigen - und das Pochen
meines Blutes in den Schläfen.
Irgendwann machte ich mich daran, die Kamele zu beladen und das Gepäck am
hölzernen Sattelgestänge mit Seilen festzuschnüren, ehe ich meinen Weg wieder aufnahm.
Noch immer war die Luft mit Sandpartikeln und Staubschwaden geschwängert, die um die
Beine meiner Kamele huschten. Doch die Tiere, die ich im Schlepptau führte, ließen sich
davon nicht beirren. Stoisch liefen sie im Rhythmus ihrer Gangart, zogen im Takt der im-
mer gleichen Schritte dahin.
Endlich konnte ich wieder in Bewegung sein, konnte frei ausschreiten und durch die
schattenlose Stille wandern, in der die Schönheit und Größe der landschaftlichen Gleich-
förmigkeit mich ständig aufs Neue begeisterte. Ich ging in einem ganz sanften, völlig ger-
äuschlosen Wind dahin, der seit undenklichen Zeiten zum bestimmenden Geist der Wüste
geworden war. Er formte und veränderte Dünen, Täler, Ebenen und Berge. Er gestaltete
die schönsten Landschaften oder zerstörte sie mit unbändiger Kraft. So hatte ich ihn im
Großraum der Wüste Gobi schon auf vielen Wanderungen und Reisen erlebt, denn Chi-
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