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faucht. Ganze Karawanen und Städte sollen ihm im Laufe der Jahrhunderte zum Opfer ge-
fallen sein. Sogar die gesamte Armee eines chinesischen Kaisers soll unter dem Sand einer
250 Meter hohen Düne begraben liegen.
Viele Monate der Planung lagen hinter mir, als ich nach Peking flog, ausgerüstet mit einem
kleinen chinesischen und uigurischen Sprachschatz, den ich akribisch gelernt hatte. Im
Zug reiste ich dann von Chinas Hauptstadt über 3000 Kilometer nach Westen. Urumtschi,
die Provinzhauptstadt Sinkiangs, das Land der Uiguren, war mein erstes Ziel, ehe es per
Lkw weiter nach Dunhuang ging. Eine mit Pappeln, Ulmen und Eschen umfriedete Oa-
senstadt, die am Rand der Wüste Gashun Gobi liegt. Fünfzehn Kilometer weiter südöst-
lich befindet sich, zwischen Bergrücken und Sanddünen, die Tempelanlage der Tausend-
Buddha-Höhlen. Zwischen dem 4. und dem 14. Jahrhundert, zur Blütezeit der Seiden-
straße, erbauten buddhistische Mönche hier nicht nur einen mehrstöckigen Haupttempel
im chinesischen Stil, sondern auch Hunderte von Höhlen, die mit primitivsten Werkzeugen
in eine 1600 Meter lange Felswand gemeißelt wurden. Zudem schufen Künstler in den
mannigfaltigen Höhlen mehr als 45 000 Quadratmeter Wandmalereien sowie Tausende von
Buddha-Statuen, vielfältig in Form und Größe, eine schöner als die andere.
Als der Verkehr auf der Seidenstraße im 14. Jahrhundert versiegte, gerieten die Buddha-
Höhlen von Dunhuang (auch Mogao-Grotten genannt, weil einst ein Fluss gleichen Na-
mens durch diese Region floss) in Vergessenheit. Wanderdünen begruben die gesamte
Tempelanlage unter sich. Erst 1899 stieß der taoistische Mönch Wang Yuanlu auf die im
Sandmeer versunkene Tempelanlage und entdeckte Hunderte von Felsenhöhlen sowie eine
zugemauerte Geheimkammer, in der er eine Bibliothek ostasiatischer Wissenschaften fand:
50 000 Dokumente aus der Zeit vom 3. bis zum 11. Jahrhundert. Das trockene Wüsten-
klima hatte dafür gesorgt, dass die Kulturzeugnisse länger als 900 Jahre lang erhalten
geblieben waren. So auch die Funde aus Höhle Nr. 17, wo die Xixia eine große Anzahl von
Bildern und Manuskripten eingemauert hatten, die von ihrem Leben und ihren Herrschern
erzählten. Vor allem die hier gefundenen Dokumente nutzten die Wissenschaftler, um mit-
tlerweile mehr als 6000 Symbole des Xixia-Schriftsystems zu entziffern. Ein großer Erfolg,
um dieser versunkenen Kultur auf die Spur zu kommen.
Hier also, an diesem entlegenen Ort der Wüste Gobi, wo man in einer uralten Höhle
Zeugnisse eines vergessenen Volkes fand, wollte ich mit meiner Wanderung beginnen. Ein
sagenumwobener Ort, der über Jahrhunderte als Zentrum der Andacht und der Danksagung
galt. Karawanenführer beteten hier um eine erfolgreiche Reise und ersuchten die Götter um
Schutz, ehe sie mit ihren schwerbeladenen Kamelen auf der Seidenstraße durch die lebens-
feindlichen Einöden zogen.
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