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Runde um mein Boot zu paddeln. Ich wollte meine KATHENA NUI in ganzer Figur aus der
Ferne anschauen.
Die Windstille dehnte sich mehr und mehr aus. Die See wurde absolut platt. Das ewige
Klick-Klack am Mast war kaum noch wahrzunehmen. Doch die Flaute schenkte mir die
nötige Kraft, dem nächsten Wetter zu begegnen. Die Stille tat mir gut. Es gab Tage, wo ich
nur mit einem Fetzen Segeltuch auf dem Meer trieb und an die 20 Stunden durchgeschlafen
habe. Gestört von rein gar nichts. Ich nutzte die Flaute, um zu schwimmen, an Deck zu lie-
gen, um Fische, Seevögel und Wolkenbilder zu beobachten, wobei die Himmelswölbung
die meiste Zeit geschlossen war. Die Wolkenschicht saß auf dem Wasser wie ein Deckel
auf dem Topf. Dabei dachte ich, Mensch, es geht dir gut, und dankte wieder einmal Gott,
dass er den Stürmen Windstillen gegenübergestellt hat. Windstille auf offener See? Tut mir
gut. Ich dachte an Jesus, der 40 Tage in die Wüste ging und sich mit Stille und Hitze kon-
frontiert sah.
Nach der Hitze des Tages lag ich im Cockpit mit Kissen und Wolldecke als Unterlage,
um dort zu nächtigen. Total entspannt und irgendwie glücklich. Die Ruhe während meiner
Reise war selten völlig ungestört, denn Segel vibrieren, Fallen schlagen, das Wasser
plätschert am Rumpf entlang. Doch Stille ist die heimliche Sehnsucht des Menschen. Wie
sich Stille anhört, davon bekommt man am besten eine Ahnung in den Mallungen des
Äquators. Die Dünung des Ozeans ist zum Stillstand gekommen, die Dinge, die Krach und
Lärm verursachen, sind gebändigt. In dieser Stille schob ich abends ein Abba-Band in den
Kassettenrecorder - und es geschah erst mal nichts. Angespannt lag ich auf der Bank. Ab-
solute Stille hat etwas Magisches. Nach einer Ewigkeit kam endlich der Ton - »I have a
dream«. Mich berührte das Lied sehr, auch wenn es ein Popsong war. In dem Moment
bedeutete mir die Musik den ganzen Ozean.
Die Musikstunde war fortan jeden Abend die Krönung. Kein Laut, keine Störung, kein
Tun unterbrach sie. Es gab lediglich die melodische Musik, das Meer, mein Boot und mich.
Selten habe ich mich so frei gefühlt, unerreichbar auf dem Atlantik treibend. Kein Licht am
Horizont, kein Mond, kein Stern am Himmel. Ich dachte an Bernard Moitessier, der auch
ohne Maschine unterwegs gewesen war und geschrieben hatte: »Es ist wundervoll, Wind
zu haben. Es ist ebenso wundervoll, keinen Wind zu haben und nicht einmal zu wissen, seit
wie lange nicht mehr.«
Recht hatte er.
Als ich auf See ging, wollte ich fliehen, weg sein, zu mir kommen. Das ist mir in diesen
Tagen und Nächten gelungen. Die einzige nennenswerte Veränderung war die Zeit.
Eintragung im Logbuch:
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