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Vereinzelt warfen uns Wellen einfach aus dem Kurs, legten uns breitseits zur anrollenden
See. Der Mast schlug dabei aufs Wasser. Ich war nervös. Hangelte mich irgendwann zum
Niedergang und beobachtete das Meer von dort. Bisweilen prallten See und Boot hart
aufeinander. Schleuderten das Wasser hoch in die Luft. Das Schiff schmierte dabei un-
rhythmisch ab. Das war gefährlich, ich musste etwas tun. Doch bei dieser rauen See war
es riskant zu steuern. Ich befühlte meine Fingernägel, sofern sie nicht schon abgebrochen
waren. Verwundert stellte ich fest, dass sie an Bord schneller, viel schneller wachsen als an
Land. Hat das etwas mit der sauerstoffreichen Meeresluft zu tun? Seltsame Gedanken.
Mir grauste vor dem Dadraußen, wo ich ungeschützt den Elementen ausgesetzt war.
Doch mir blieb keine Wahl, ich musste an Deck und von Hand steuern. »Schnell raus.« Es
war nicht einfach, sich selber Befehle zu geben. In einer böenfreien Phase schob ich mich
durchs Luk und pickte meinen Karabiner der Sicherheitsleine ein. Ließ mich auf die Bank
sacken, kuppelte die Kette der Aries von der Pinne und steuerte selbst. Die Pinne fühlte
sich eigenartig dick an. Außerdem erschien mir das Cockpit total exponiert. Es war grauen-
haft. Der Spritzschutz überm Niedergang war schon lange weggezurrt. Es war dunkel und
die Luft von Nässe zerstäubt. Von Deck wurde das Wasser weggepeitscht. Reste aus Ver-
tiefungen riss der heulende Wind hinaus. Ich steuerte nach Gefühl - Südostkurs etwa. Das
Boot durfte auf keinen Fall querschlagen, das war meine Aufgabe.
Nachts. Die Seen fallen von backbord ein. Kann nur auf Kurs bleiben, indem ich mit der
Pinne auf jeden groben Wellenkamm reagiere. Sehen kann ich sie nicht. Nur spüren. Sitze
in Luv, also mit dem Rücken zu ihnen. Eine Hand umschlingt die Pinne, die andere dient
der Sicherheit. Damit halte ich mich an einer Klampe oder einem Tau fest, und manchmal
greife ich auch in den Wind, wenn es zu stürzenden Krängungen kommt. Die Segel sind
Gott sei Dank festgezurrt. Die Atmosphäre ein Rauschen, ein Pfeifen, ein Brüllen ums Rigg.
Bilder von einem sozusagen nackten Deck ohne Mast nehmen von mir Besitz.
Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken. Zum Beispiel an die wunderschönen Linien
meines Schiffes. Mit der freien Hand fuhr ich eine Kurve nach. Aber ich schaffte es nicht,
mich dauerhaft auf andere Gedanken zu bringen. Später schrieb ich ins Logbuch:
Es ist weiter stockdunkel. Habe ein ungutes Feeling, wenn die See direkt von achtern
kommt. Dann entwickelt sich eine Geschwindigkeit, die mir nicht angenehm ist. Kopfüber
ins Wellental kann dieser Kurs zum Verhängnis werden. Festgekrallt zwischen Pinne und
Cockpitbeschlägen erwarte ich den Morgen.
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