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Wo soll ich anfangen, um von den Stürmen einer solchen Segelreise mit so viel Wasser zu
berichten? Wo man fast selbst zu Wasser wird. Ohne Landgang. Ohne Menschen. Gesehen
habe ich die berüchtigten Kaps - Kap Hoorn, Kap Leeuwin und Kap der Guten Hoffnung -
entweder gar nicht oder in weiter Entfernung. Gesehen habe ich wenige Fische, zwei Haie,
Wale, eine Schildkröte und - Vögel. Massenhaft Seevögel. Meist Albatrosse und artver-
wandte Sturmvögel. Die sind äußerst stille Begleiter. Sie geben keinen Pieps von sich.
Stille herrschte trotzdem selten. Wind und See pfiffen und schäumten um mein kleines
Schiff. Schlugen so heftig zu, dass das Rigg durch die See pflügte. Trafen KATHENA NUI
mit einem abrupten Aufprall wie ein Medizinball mich als schwachen Schüler. Sodass auch
meiner KATHENA fast die Luft wegblieb.
Noch jetzt, mit einem Abstand von über zehn Jahren an Land, fällt es mir schwer, pocht
mein Herz schneller, wenn ich an unterwegs denke. Die Erinnerungen kommen, wenn ich in
meinen Logtagebüchern blättere, quellen über wie dehydrierte Nahrung aus einer Tüte.
In einer ganz üblen Stimmungsphase befand ich mich, als ich mich Feuerland und dem
Kap Hoorn näherte. Ich bekam regelrecht Panik. Stand sogar kurz vor dem Abbruch des
Törns. Zweifel befielen mich: »Mein Schiff ist zu klein, um sich gegen die Sturmseen
des Südpolarmeeres zu stellen.« Ohnehin hatte ich nur eine rudimentäre Vorstellung, wie
meine Kreuzkurse dort bei Starkwind, bei Sturm aussehen sollten. In meinem Logtagebuch
schildere ich die Situation so:
Samstag, 14. Okt. - 62. Tag. Lege heute einen »Ankertag« ein. Auf 3600 Meter Wassertiefe.
Was soll das? Das heißt: Ich berge die Vorsegel, das Groß bekommt drei Reffs und wird
an den Wind gestellt. Habe keine Lust, gegen einen Südwest 7 aufzukreuzen. Danach große
Wäsche, großes Kämmen, frische Kleidung und ein leckeres Essen. Eine Kanne Tee tut mir
gut. Fühle mich danach besser. Sitze auf dem Boden und genieße die relativ ruhigen Schiffs-
bewegungen. Paradoxerweise kommt mir währenddessen die Erkenntnis, dass diese Segel-
stellung in Zukunft eine Möglichkeit wäre, Stürme abzuwettern. Wir machen dann wahr-
scheinlich keine Fahrt voraus, verlieren aber auch nicht allzu viele Meilen.
Anderntags setzte ich meinen Kurs fort. Keineswegs überzeugt, das Richtige zu tun. Bücher
mit schrecklichen Sturmerlebnissen, teils aus der Zeit der Windjammer, entmutigten mich,
anstatt mich zu beflügeln. KATHENA NUI hatte allerdings nur 5,5 Tonnen entgegenzustellen.
Natürlich dachte ich täglich ans Kap. Warum sollte man Kap Hoorn nicht gegen den Wind
runden? Die Rahsegler konnten nur 70 Grad am Wind segeln, bei Sturm 80 und weniger,
und haben die Umrundung auch geschafft.
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