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meine Gastgeber beleidigt gewesen. Also verzehrte ich notgedrungen das scharfgewürzte
Echsenfleisch und trank dazu mehrere Schalen turkestanischen Tee, auf dem säuerliche
Flocken getrockneter Milchhaut schwammen.
Sehr viel mehr Gaumenfreuden bereitete mir ein grünäugiger Kasache mit einem Gesicht
wie Dschingis Khan, den ich mit seinen vier beladenen Kamelen mitten in der Dsungarei-
Wüste traf. Er bot mir für die Nacht nicht nur einen Platz an seinem Lagerfeuer an, sondern
kochte auch eine Kanne grünen Tee. Ein wohlschmeckendes dampfendes Gebräu, von dem
ich bei absinkenden Temperaturen gar nicht genug bekommen konnte, ehe er mir einen
Teller mit dicken Nudeln und Hammelfleisch servierte. Dazu gab es reichlich Nang, das
flache Weizenbrot der Nomaden, das er in der Glut eines kleinen Feuers gebacken hatte.
Der mongolische Teil der zentralasiatischen Wüste Gobi ist trotz größter Trockenheit
teilweise eine steppenhafte Halböde, in der schwankende Sommerregen zuweilen für di-
chte Grasdecken sorgen. Deshalb konnten hier riesige Pferdeherden heranwachsen, die
diesen Teil der Erde zur Wiege eines Reitervolkes machten, das vor 800 Jahren unter der
Führung des legendären Dschingis Khan ein Weltreich eroberte. Auch hier war ich im-
mer wieder Gast in einer Jurte und lernte die wichtigsten Grundlagen der mongolischen
Küche kennen: Milchprodukte, Fleisch, Wildgemüse, Salz, Zwiebeln, Pilze und damp-
fenden Reis, den ich aus kleinen Schälchen mit den Fingern aß. Im chinesischen Teil der
Gobi musste ich mich hingegen an den Gebrauch hölzerner Essstäbchen gewöhnen, die von
den Chinesen kuaizi genannt werden, was so viel wie »Beschleuniger« bedeutet.
Trotz des knappen Nahrungsmittelangebots - ein Problem in allen Wüsten der Erde -
waren die kulinarischen Leckereien in den Einöden Chinas und der Mongolei höchst ab-
wechslungsreich. Was wurde da nicht alles in Töpfen und auf Tellern zubereitet: Es gab
süßen Quark aus Schafs- oder Ziegenmilch ( eesgij ), salzlosen Käse ( bjaslag ) und würziges
Kamel-, Hammel- und Rindfleisch, das gekocht oder halbgar gegessen wird, sodass im Blut
noch jede Menge Spurenelemente enthalten bleiben, die den Nährwert erhöhen. Ebenso
schmackhaft war der mongolische »Feuertopf«. Eine nahrhafte Bouillon, die ich aus einer
kleinen Schale schlürfte. Dazu tauchte ich einen kleinen Holzspieß mit Fleischstückchen
oder Gemüsescheiben in die kräftige Brühe des Feuertopfes zum Garen ein.
Nicht so ganz mein Fall waren der Fettsteiß des Fettschwanzschafs und ein Gericht na-
mens boodog : eine fast unbeschädigte Ziegenhaut, aus der man alle Innereien und Knochen
herausgetrennt hat, wird mit gewürzten Fleischstücken gefüllt, zu denen die Mongolen
glühende Steine legen. Dann wird der luftdicht verschnürte »Tiersack« von außen gebraten,
sodass das Fleisch von allen Seiten im eigenen Saft schmort.
Zu den Mahlzeiten gibt es immer reichlich Tee, der oft aus gepressten Teeziegeln
zubereitet wird. Und da die Mongolen wie auch die Chinesen nicht nur große Esser, son-
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