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Ebenso erstaunlich ist, dass ein Kamel nicht schwitzen kann. Steigt die Außentemperatur
über 36,5 Grad, kann das Tier seine Körpertemperatur bis auf 42 Grad erhöhen. Die Nüstern
werden dabei zu einer Art Klimaanlage, während die Nasenschleimhäute das Wasser aus der
ausgeatmeten Luft zurückgewinnen. Im Gegensatz zum Menschen, der seinen Wärmestau
durch Schwitzen abbaut und dadurch bei erhöhten Temperaturen viel Flüssigkeit abgibt, ver-
dickt sich das Blut eines Kamels auch bei einer großen Überhitzung nicht. Und nachts sinkt
die Körpertemperatur wieder auf 34 Grad, als hätte das Kamel einen angeborenen Thermo-
stat eingebaut, sodass sich die Hitze im Körper niemals staut.
All diese außergewöhnlichen Eigenschaften machen das Kamel für die Wüste zum
idealen Überlebenskünstler. Kein anderes Tier hat sich physiologisch so sehr an das wüste
Extremland angepasst, und kein anderes Tier zeichnet sich schon durch seine eigentümliche
Physiognomie für ein Leben in großer Kargheit aus. Der Körperbau ist plump und schwer-
fällig. Der Kopf, der meist horizontal ausgerichtet ist und wie ein schmaler Grat wirkt, bietet
der Sonne nur wenig Angriffsfläche. Der lange Hals ist mit kräftigen Muskeln durchzogen,
bewegt sich wie eine Hebebühne und streckt den Kopf aus dem Bereich der Sandstürme,
die oftmals nur in einer Höhe von zwei Metern über den Boden fegen. Die großen Augen
werden von langen Wimpern geschützt, die bei Sturm das Eindringen von Sand verhindern.
Auch die Nase, die zu schlitzförmigen Nüstern geformt ist, besitzt einen Muskel, der die
Öffnungen bei einem Sandsturm sofort schließt. Die gespaltene und fleischige Oberlippe er-
möglicht das Abreißen dorniger Zweige. Der enorme Speichelfluss schützt das Maul beim
Zermalmen knorriger Äste vor Verletzungen. Dicke Knorpelflächen an Knien und Ellen-
bogen bewahren die Gelenke beim Sitzen vor der Bodenhitze. Auch die langen, staksigen
Beine halten den Körper beim stetigen Laufen von den heißen Luftschichten am Erdboden
fern. Und die tellerförmigen Füße, deren Sohlen mit dicken Hornschwielen versehen sind,
verhindern das Einsinken in weiche Sandflächen. Jede Form hat seine Funktion. Überdies ist
das Kamel ein Wiederkäuer mit mehrkammerigem Magen, ist äußerst genügsam und ebenso
berühmt für seine Duldsamkeit wie auch für seine Eigenwilligkeit.
Vor allem aber ist das Kamel ein langbeiniger und einzigartiger Passgänger, dessen be-
sondere Fortbewegungsweise mich fasziniert. Ich mag diesen merkwürdig-wiegenden und
gleichförmig-schaukelnden Laufrhythmus der Kamele, mag ihre gelassene Langsamkeit und
die gleichmäßige Monotonie ihrer Schritte, die ich mir mittlerweile angeeignet habe. Vi-
er bis fünf Kilometer in der Stunde können Kamele gehen. Ein Tempo, das sie mehr als
vierzehn Stunden am Tag durchhalten, während sie bis zu drei oder vier Zentner auf dem
Buckel schleppen.
In der gleichförmigen Gangart der Kamele bewegen sich auch viele Nomaden seit unden-
klichen Zeiten rund um die Welt. Und in diesem rhythmisch-monotonen Schrittablauf offen-
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