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übersehen - die Weltrekordler der Seevögel. Unermüdlich schweben sie über das endlose
Südpolarmeer. Gewiss sind sie die ausdauerndsten und besten Segler der Welt, dazu im-
stande, Tausende von Meilen ohne einen Schlag ihrer Flügel zurückzulegen. Trotz ihrer un-
geheuren Größe schweben sie mit einer solchen Leichtigkeit in der Luft und lavieren sich
so schnell und geschickt ums Boot herum und zwischen den Segeln hindurch, dass ich sie
schwerlich ins Bild kriege, wenn ich sie fotografieren will. Voraussetzung ist genug Wind.
Sonst setzen sie sich aufs Wasser, lassen sich von den Wellen schaukeln und beobachten
das Boot.
Meist sind es Wanderalbatrosse. Sie sind wie ich Einzelgänger, selten kommen sie in
kleinen Gruppen. Doch die Perfektion in der Luft hat ihre Tücken, denn bei Start und
Landung haben sie Probleme. Da erweisen sich die extrem langen und schmalen Flügel als
Hindernis. Schnell schlagen können sie damit nicht. Also kotzen sie sich vor dem Start aus,
um leichter zu werden. Und wenn sie auffliegen, laufen sie auf den Wellen wie Gänse oder
Schwäne.
Einmal hatte ich mir eigentlich vorgenommen, für die Nachtwache vorzuschlafen.
Stattdessen lag ich auf dem Brückendeck und beobachtete einen Albatros. Stunde um
Stunde. Ich hatte das Gefühl, dass er schon seit Tagen mein Weggefährte, mein Hetairos,
war. In mein Tagebuch notierte ich:
Ein Albatros wird beinahe so alt wie wir Menschen. Sein ganzes Leben segelt er ohne Flü-
gelschlag hoch über der See, sackt nur ab, um Aufwind zu finden. Kehrt spitz zum Schiff
zurück, schießt gegen den Wind beinahe lotrecht hinauf und gleitet in einem langen Sch-
wung wieder auf die Wogen herab, die Flügelspitzen nur wenige Zentimeter über einem
brechenden Kamm, ohne ihn zu berühren. Und ab geht's ins nächste Wellental. Sehe nur
das weiße Kreuz auf dem Rücken. Das Weiß hebt sich deutlich ab vom Meergrau. Es sind
Wanderalbatrosse mit hellgelben Streifen an ihren Schnäbeln. Die Köpfe sind grau. Die
Augen weiß umrandet. Das verleiht ihrem Blick einen dämonischen Ausdruck, der durch
die mächtigen, langen und kräftigen Schnäbel noch verstärkt wird. Sie blicken mich an, wie
Tiere einen eben ansehen.
Auf dem Ozean ist es ziemlich lebhaft unter der Wasseroberfläche. Am Anfang meiner
Segeljahre sah ich täglich mindestens einen Fisch am Boot: entweder fliegende Fische,
Makrelen, Lotsenfische, Doraden. Natürlich waren Delfine darunter - in Gruppen, selten
einzeln. Während meiner letzten Ozeanfahrt war das nicht mehr so. Zum einen wohl, weil
ich schneller segelte (wer langsam segelt, sieht mehr), zum anderen weil auch einiges von
den über alle Meere verstreuten Trawlern weggefischt wurde.
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