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angriffslustig in der Luft, sie fühlten sich durch uns beim Räubern gestört. Wieder einmal
verschafften sie sich ihre Nahrung, indem sie anderen Seevögeln die Beute abjagten. Da-
her werden sie auch Piraten des Tropengürtels genannt. Sie fliegen hoch oben, schweben
beinahe ohne Bewegung der langen Flügel und heben sich mit diesen sowie den langen
tief gegabelten Schwanzfedern als unverwechselbare Silhouetten gegen den blauen Him-
mel ab. Für mich sind sie die schönsten Seevögel. Da sie selten weiter als 100 Meilen vom
Land entfernt auftauchen, waren sie in der GPS-losen Zeit ungemein nützlich bei der An-
steuerung kleiner Inseln.
Mitten auf allen Ozeanen in den Tropen zeigt sich manchmal der märchenhaft schöne
Tropikvogel. Man hört ihn schon von weitem, denn während des Fluges, der mich an
wilde Tauben erinnert, klatscht er laut schallend mit den Flügeln. Das metallfarbene Ge-
fieder funkelt in der Sonne, und seine langen Schwanzfedern gleichen hinterhergezogenen
Bändern. Bei einigen glänzten sie in wunderschönem Purpurrot.
Ich begegnete aber auch Vögeln, die sich an Bord niederließen, um sich zu erholen.
Sturmschwalben oder Tölpel. Das war jedes Mal eine Freude. Im Nordatlantik hatte sich
einmal ein »Mitsegler« an Bord meines Bootes eingerichtet. 500 Meilen von Irland ent-
fernt war mir eine stahlblaue, beringte Taube zugeflogen. Sie lebte im Cockpit, fraß meinen
gekochten Reis und machte gelegentlich kurze Ausflüge ums segelnde Boot. Dabei hatte
sie Probleme, auf dem Heckkorb zu landen. Sie konnte unsere Geschwindigkeit nicht ber-
ücksichtigen. Ich taufte sie »Schippy« nach einer Freundin, die auch so rund und hübsch
ist. Die Taube wurde immer zutraulicher. Wenn ich sie rief, kam sie angewatschelt, fraß
sogar Haferflocken aus der Hand und ließ sich streicheln. Sie war damals für mich das erste
Lebewesen nach 256 Tagen auf See. Ich war glücklich mit ihr. Nur dass sie unbedingt in
die Kajüte wollte, gefiel mir nicht. Mir reichte nämlich schon das vollgeschissene Cockpit.
Da ich jedoch den Eindruck hatte, dass es ihr draußen zu kalt war, baute ich einen kräfti-
gen Käfig aus Karton und sperrte sie in die Hundekoje. Das ließ sie ganz willig und ohne
Spektakel geschehen. Still und geduldig übernachtete sie dort, bis ich sie morgens wieder
an Deck ließ. Am 260. Tag war's mit der Geselligkeit leider vorbei.
Ich bin ganz unglücklich. Schippy ist fort. Gestern, während ich die Cockpitbänke
schrubbte, flog meine Taube wie üblich ein paar Runden und drehte dann auf Nimmer-
wiedersehen Richtung Irland ab. Ein Tag und eine Nacht, und sie ist an Land. Ich? Ich
habe noch fast zwei Wochen vor mir. Fliegen müsste man können.
Es fehlen noch die Albatrosse. Wer durchs Südpolarmeer segelt, hat sie immer nahe, als
Weggenossen, als Vertraute. Mit rund drei Metern Flügelspannweite sind sie ja nicht zu
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